Der Standard

Beißreflex

- Andreas Schnauder

Der Wahlkampf ist längst eröffnet, und entspreche­nd scharf wird auf die politische­n Mitbewerbe­r geschossen. Das zeigte sich zuletzt nach Bekanntwer­den einer Studie zum Thema Umlegung der deutschen Grundsiche­rung Hartz IV auf Österreich, die vom Finanzmini­sterium in Auftrag gegeben wurde. Die SPÖ griff gleich tief in das verbale Arsenal: Von der Zerstörung des Sozialsyst­ems sprach Sozialmini­ster Alois Stöger, der Kärntner Landeschef Peter Kaiser packte gar die „Kurz’sche SozialAbri­ssbirne“aus. Dabei könnte man das Thema auch nüchtern diskutiere­n. Ja: Deutschlan­d hat eine weit bessere Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt als Österreich. Doch nein: Sie hängt nur zu einem Teil mit Schröders Agenda 2010 zusammen. Hauptveran­twortlich für die Unterschie­de ist die vor allem wegen der Migration wachsende Bevölkerun­g hierzuland­e, während der diesbezügl­iche Trend im großen Nachbarlan­d nach unten weist.

Und noch ein Aspekt sollte bedacht werden: Hartz IV war nur ein Teil einer großen Reform, mit der Deutschlan­d seinen rigiden Arbeitsmar­kt flexibilis­ierte. Die Lockerunge­n waren unter dem Strich positiv, auch wenn die dürftige soziale Absicherun­g für Betroffene schmerzhaf­t ist. Doch umgekehrt reduziert ein dichtgeknü­pftes Sozialnetz auch den Anreiz, eine Beschäftig­ung anzunehmen. Über all diese Zusammenhä­nge sollte diskutiert werden. Beißreflex­e bringen nichts, nicht einmal im Wahlkampf.

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