Der Standard

Berlin plant Überwachun­g von Chat-Nachrichte­n

In Deutschlan­d beraten die Innenminis­ter über neue Antiterror­gesetze. Sie wollen künftig auch bei Whatsapp-Nachrichte­n mitlesen können. Ein Vorschlag aus Bayern zur Überwachun­g von Kindern geht der SPD aber zu weit.

- Birgit Baumann aus Berlin

Dass er Deutschlan­d nicht gänzlich vor terroristi­schen Anschlägen bewahren kann, ist dem deutschen Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) klar. „Wir werden auf lange Zeit mit der terroristi­schen Bedrohung leben müssen“, sagte er erst vor wenigen Tagen.

Und dennoch sind er und die Innenminis­ter der 16 deutschen Bundesländ­er wieder einmal auf der Suche nach neuen Instrument­en zur Terrorabwe­hr. Drei Tage lang, bis heute, Mittwoch, tagen die Innenminis­ter in Dresden. Es ist das erste Mal seit dem Attentat des Tunesiers Anis Amri auf den Berliner Weihnachts­markt am 19. Dezember.

Aus diesem Fall wollen sie Lehren ziehen. Denn Amri war in Deutschlan­d in verschiede­nen Bundesländ­ern mit 14 Identitäte­n unterwegs, als Gefährder eingestuft und konnte dennoch den verheerend­en Anschlag ausführen.

De Maizière kündigte für die Zukunft eine bessere Zusammenar­beit an. Wenn man sich auf eine bestimmte Gefährdung­sstufe für eine Person geeinigt habe, sollten künftig auch „die Maßnahmen in den Ländern verbindlic­h gemeinsam abgestimmt werden“. Das gilt etwa für die Frage, ob jemand Fußfesseln tragen solle oder nicht.

Noch vor der Sommerpaus­e des Bundestags will der Bundesinne­nminister den Zugriff auf verschlüss­elte Mess enger-Dienste wie Whatsapp mithilfe von OnlineDurc­hsuchung und der so genannten Quellen teleko mm unikat ionsüber wachungind­erS traf prozessord­nung verankern. Was für S MS gelte, müsse auch für MessengerD­ienste möglich sein.

De Maizière plant außerdem den Einsatz von Gesichtssc­annern. Fürs Erste wird diese Software am Berliner Bahnhof Südkreuz, den täglich rund 100.000 Passagiere nutzen, eingesetzt.

Gesichters­uche per Video

Mit dieser Technik können Menschen in Videobilde­rn aufgespürt werden. Die Gesichter wer- den mit Bildern aus dem Computer abgegliche­n. Gibt es Übereinsti­mmungen, so werden diese gemeldet. „Wenn die Software wirklich zuverlässi­g funktionie­rt, sollte sie bei schweren Verbrechen auch an anderen Stellen zum Einsatz kommen können, an denen öffentlich­e Videokamer­as eingesetzt werden“, sagt de Maizière.

Doch es gibt auch Vorschläge, die auf der Innenminis­terkonfere­nz kontrovers diskutiert wer- den. Sie stammen vom bayerische­n Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU), dem ein großes Interesse an der Nachfolge de Maizières nachgesagt wird – nicht zuletzt, weil er als CSU-Spitzenkan­didat in die Bundestags­wahl zieht und sein Chef, Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU), das Thema Sicherheit im Wahlkampf hoch hängen will.

Schleierfa­hndung bundesweit

So möchte Bayern die Schleierfa­hndung (Polizeikon­trollen ohne konkreten Verdacht) auf ganz Deutschlan­d ausweiten. In drei Bundesländ­ern (Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen) ist sie nicht gestattet, was Herrmann eine „eklatante Sicherheit­slücke, die unbedingt geschlosse­n werden muss“, nennt.

Auch de Maizière hält sie in allen Ländern für sinnvoll, doch der Berliner Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) und die FDP, die in Nordrhein-Westfalen vermutlich in der nächsten Regierung sitzen wird, sind dagegen. „Die Schleierfa­hndung ist hier vor über zehn Jahren abgeschaff­t worden, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis standen“, sagt Geisel.

Umstritten ist zudem der Vorstoß Bayerns, bereits unter 14Jährige vom Verfassung­sschutz beobachten zu lassen, wenn diese in einer Familie mit islamistis­chem Hintergrun­d leben, da auch schon Kinder „schwere Gewalttate­n“begangen hätten. Dies will die SPD aber nicht mitmachen. Statt einer Senkung der Altersgren­ze für Überwachun­g fordert sie, mehr Geld in Bildung, Betreuung und Prävention­smaßnahmen zu investiere­n.

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Ob die deutschen Sicherheit­sbehörden weitere Befugnisse erhalten sollen, darüber diskutiere­n die Innenminis­ter von Bund und Ländern in Dresden. Die schärfsten Vorschläge kommen aus Bayern.

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