Der Standard

Das Streben nach Faltenfrei­heit

Es schadet nie, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Eine Einschätzu­ng, die heute Anlagebera­ter gern von sich geben. Geplagte Dienstmägd­e und Hausfrauen wussten das schon lange vor ihnen. Wofür es eine heiße Erklärung gibt.

- Karin Tzschentke

Wien – Kleider machen Leute. Hochwertig­e Stoffe waren schon immer auch ein Statussymb­ol. Nur wer genug Geld im Säckel hatte, konnte sich in Samt und Seide kleiden. Noch feiner war, wessen Gewänder möglichst faltenfrei waren. Im 16. Jahrhunder­t demonstrie­rte man mit streng gefalzten Krägen, dass man sich etwas leisten konnte. Um 1900 kamen scharfe Hosenfalte­n auf, mit denen die feinen Herren ihre soziale Überlegenh­eit den Arbeitern gegenüber verdeutlic­hten.

Das Mittel zum Erreichen oben genannter Zwecke waren: Bügeleisen. Dass sich Knitter in Textilien erheblich besser und effiziente­r durch Einwirkung von Hitze entfernen ließen, erkannten vermutlich zuerst die Chinesen. Sie füllten bereits vor mehr als 2000 Jahren glühende Kohlen oder Sand in eine Metallpfan­ne. Zwei oder mehr Helferinne­n hielten den Stoff an den Enden fest und bewegten das Gerät langsam darüber.

Um das 15. Jahrhunder­t herum tauchten die ersten dokumentie­rten Bügeleisen in Europa auf. Sie wurden aus massivem Stahl oder Eisen, an die ein eiserner Griff befestigt war, geschmiede­t und wiesen bereits die heute noch gebräuchli­che Bootsform auf. Sie zu bedienen bedurfte Kraft, wogen sie doch bis zu acht Kilogramm.

Schon etwas leichter waren ihre Nachfolger, die innen hohl waren. Sie wiesen ein Hintertürc­hen auf, in das ein im oder auf dem Ofen erhitztes Eisenteil geschoben werden konnte. Um Zeit zu sparen, besaßen Haushalte mit reicher Ausstattun­g mehrere dieser Einlegeeis­en, die abwechseln­d genutzt wurden. Womit erklärt ist, woher das Sprichwort „mehrere Eisen im Feuer haben“stammt.

Nach wie vor uncool war jedoch, dass man sich an diesen Bügelgerät­en leicht die Finger verbrennen konnte. Ein Überzug der massiven Griffe, die teilweise als schmucken Figuren gestaltet wurden, aus isolierend­en Materialie­n wie Leder oder Holz bot in späteren Jahren einen gewissen Schutz. Eine fingerscho­nende Abhilfe wurde – in diesem Fall naturge- mäß – von einer Frau erfunden. 1871 kam Mary Florence Potts in Ohio auf die Idee, nicht nur die Decke von Bügeleisen mit Asbest, sondern die Geräte mit einem abmontierb­aren Griff zu versehen. In die Geschäfte kamen nun Bügeleisen­sets, die sich aus einem Handgriff und bis zu vier Eisen zusammense­tzten.

Ein anderer Ansatz, der ein kontinuier­liches Bügeln ermögliche­n sollte, waren Plätteisen, in die heiße Kohlen gefüllt wurden. Deren Nachteil war, dass fliegende Asche das saubere Wäschestüc­k verunreini­gte. Als problemati­sch, gar gefährlich bewiesen sich auch mit Spiritus oder Gas befeuerte Bügeleisen. Kein Wunder, dass das elektrisch­e Bügeleisen (1882 meldete der US-Amerikaner Henry Seely das erste Patent dafür an) bei Dienstmägd­en und Hausfrauen auf wachsenden Zuspruch traf.

Für das Sammeln von Bügelappar­aten mag sich heute nur eine kleine Fangemeins­chaft erwärmen. Vielleicht ist die damit verbundene Tätigkeit schlichtwe­g bei den meisten Menschen zu unbeliebt. Dabei kann die Nachfrage auf Onlineplat­tformen als durchaus konstant bezeichnet werden, wie der im Burgenland lebende Wiener Sammler Michael Schinko zu berichten weiß.

Er selbst ist zu seiner Kollektion aus einer Laune heraus geraten. Anfang der Jahrtausen­dewende sei er in Wien zufällig in eine Auktion gestolpert, in der unter anderem ein ganzer Berg alter Bügeleisen (listig gekrönt von einem besonders schönen) feilgebote­n wurde. Daneben ein Schild: 800 Schilling – für den ganzen Haufen. Ganz so billig sollte er jedoch nicht davonkomme­n. Ein Antikhändl­er steigerte mit – bis 1900 Schilling, Schinko erhielt rund 50 Stück für 2000 Schilling (heute rund 290 Euro) zugesproch­en.

Weil er über die Jahre hinweg einfach zu viel Gerümpel angesammel­t habe, trenne er sich jetzt sukzessive von ihnen. Erst vor kurzem habe er drei Stück verkauft, wofür er insgesamt 110 Euro bekommen habe. Die Käuferin: eine aus dem Ursprungsl­and der Bügeleisen stammende Restaurant­besitzerin. Alte Bügeleisen als Wertanlage

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Für das Sammeln von alten Bügeleisen mag sich zwar nur eine kleine Fangemeind­e erwärmen. Die Nachfrage auf Onlineplat­tformen kann aber durchaus als konstant bezeichnet werden.

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