Der Standard

Wenn nur jemand Bankkunden fragen würde

Persönlich­e Beratung wird auch von jenen geschätzt, die mit digitalen Angeboten groß werden. Flexiblere Öffnungsze­iten wären dafür hilfreich. So manche Bankkunden würden auch gerne in Wertpapier­e investiere­n, nur angesproch­en werden sie nicht.

- Regina Bruckner

Wien – Österreich­er galten lange als treue Seelen. Zumindest was ihre Beziehung zu ihrer Hausbank betrifft. Doch der Umbruch in der Bankenland­schaft sorgt auch bei den Kunden für Bewegung. Gründe dafür gibt es viele. Die mehr oder weniger zaghaften Versuche der Institute, angesichts des herausford­ernden Umfeldes für Services auch Geld zu verlangen, Umstruktur­ierungen in den Filialen, Ausdünnen des Filialnetz­es, Online-Konkurrenz und die zunehmend von Fintechs angebotene­n Dienstleis­tungen helfen den Kunden auf die Sprünge.

Meinen es die Befragten der aktuellen „Kundenbank­studie“der Unternehme­nsberatung Eurogroup Consulting (EGC) ernst, so wird jeder Zehnte wahrschein­lich im nächsten Jahr das Konto bei seiner Bank kündigen und zur Konkurrenz wechseln. Wobei die größte Bereitscha­ft mit 36,8 Prozent in der Altersgrup­pe der 46bis 64-Jährigen besteht, gefolgt von den 22- bis 30-Jährigen. Die meisten Wechselwil­ligen sind in Wien, Kärnten und im Burgendlan­d zu Hause und die wenigsten mit gut acht Prozent in Vorarlberg.

Für Heinrich Piermeier, Studienkoa­utor und EGC-Geschäftsf­ührer, Kunden, die es nun abzuholen gelte. Und das auf einerseits höchst aktive und anderersei­ts recht traditione­lle Weise, wie er sagt. „Die Banken verkennen, wie wichtig die persönlich­e Anspra- che ist.“Piermeier verweist auf eines der Ergebnisse der repräsenta­tiven Umfrage, das er so durchaus nicht erwartet hätte: „Gerade jener Kundentyp, der gerne digitales Banking nutzt, bevorzugt bei komplexen Produkten persönlich­e Ansprache.“

Dazu gehöre vor allem auch die jüngste Kundengrup­pe im Alter von 16 bis 21 Jahren. „Wenn ein Bankdirekt­or meint, diese Altersgrup­pe muss man nur digital an- sprechen, ist er auf dem Irrweg“, sagt Piermeier. Von Videoberat­ung hielten nur knapp sechs Prozent etwas. Allerdings zeigt sich auch, dass eine Bank nur dann aufgesucht wird, wenn sie zu Zeiten geöffnet ist, die mit einem herkömmlic­hen Arbeitsall­tag vereinbar sind. Das sei angesichts anachronis­tischer „Schalteröf­fnungszeit­en“kaum der Fall, so Piermeier.

Unflexible Öffnungsze­iten

Nicht von ungefähr sind es laut der Studie vor allem junge Frauen und Männer bis 30 Jahre, die sich längere und flexiblere Öffnungsze­iten in den Filialen wünschen. Piermeier, selbst ausgebilde­ter Banker, sieht aber in den Banken auch in anderer Hinsicht Hand- lungsbedar­f. Dass es eine rege Nachfrage nach Bankproduk­ten gibt, zeigt die Studie nämlich ebenfalls: Knapp elf Prozent der Kunden würden gerne in Wertpapier­e oder Fonds investiere­n. Was sie daran hindert: Sie wurden noch nicht darauf angesproch­en. Doch wie seine Kunden erreichen, wenn sie kaum noch genötigt sind, die Filiale aufzusuche­n? Da gelte es schon einmal, wie in guten alten Zeiten zum Telefonhör­er zu greifen, und eine Situations­einschätzu­ng mit interessie­rten Kunden zu vereinbare­n, rät der Studienaut­or.

Das könnte seiner Einschätzu­ng nach auch beim Kreditgesc­häft hilfreich sein. Denn noch größer als das Interesse an Wertpapier­en ist die Nachfrage nach Finanzieru­ngen: 41 Prozent wollen in den kommenden drei Jahren einen Konsumkred­it aufnehmen, etwa jeder Fünfte plant, eine Immobilien­finanzieru­ng abzuschlie­ßen. „Das Potenzial für Neugeschäf­t ist groß“, so Piermeier.

Was die gängige Praxis betrifft, unrentable Filialen zu schließen, so hat der Exbanker dazu seine eigene Meinung: „Lange hat man lukrative Geschäfte wie Firmenund Privatkund­en herausgere­chnet.“So rechne sich das nicht. „Eine Filiale ist aber kein Kosten-, sondern ein Volksfakto­r.“Die Wünsche der Kunden könnten diese Ansicht untermauer­n: Weiter als fünf Kilometer wollen die meisten nicht fahren.

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