Der Standard

Entschuldu­ng zum Nulltarif

Seiner Schulden soll man sich künftig viel einfacher entledigen können. Das wirkt sich jetzt schon aus: Schuldner stellen „unnötige“Zahlungen ein, um voll von der besseren Neuregelun­g profitiere­n zu können.

- Andreas Schnauder

Wien – Der Countdown läuft für jene Schuldner, die mit Spannung die geplanten Änderungen beim Privatkonk­ursrecht beobachten. Kommen sich die einstigen Regierungs­partner nicht neuerlich in die Quere, sollte der Justizauss­chuss am 21. Juni weitreiche­nde Erleichter­ungen für Unternehme­r und Private beschließe­n, die sich finanziell übernommen haben. Die Neuregelun­g soll ab 1. Juli gelten. Des einen Freud, des anderen Leid: Gläubiger wollen bereits jetzt negative Auswirkung­en der Reform erkennen.

Kreditschü­tzer und Inkassobür­os berichten von einer sprunghaft angestiege­nen Zahl von Personen, die ihre Ratenzahlu­ngen eingestell­t haben. Sie setzen offenbar auf die neue Regelung, mit der sie keine Mindestquo­te mehr erbringen müssen. Anders ausgedrück­t: Schuldner entledigen sich ihrer Verbindlic­hkeiten dann auch, wenn sie gar nichts zurückzahl­en. Bis dato sind zehn Prozent das Mi- nimum, um eine Restschuld­befreiung zu erwirken. Zweiter großer Vorteil: Mit den Änderungen werden die Forderunge­n bereits nach drei Jahren erlassen, bisher musste man sieben Jahre abstottern.

Im persönlich­en Kontakt werden in den vergangene­n Wochen von Schuldnern immer öfter mitgeteilt, dass man vorerst keine Rückzahlun­gsvereinba­rung treffen möchte, um nicht noch unnötige Zahlungen zu leisten, schildert Helmtraud Schmidt. Sie ist Inhaberin des Grazer Inkassobür­os Redas und befürchtet weitreiche­nde negative Auswirkung­en der Neuerungen auf die Beschäftig­ung. „Da ein Bezug von Mindestsic­herung oder Notstandsh­ilfe künftig ausreicht, wird die Mobilisier­ung von Arbeitslos­en ausbleiben“, meint Schmidt im Gespräch mit dem STANDARD.

Sie verweist noch auf eine weitere Problemati­k für Lieferante­n und andere Gläubiger. Während diese in Deutschlan­d oder in der Schweiz Einsicht in Schuldenre­gister und damit Einblick in die Bonität bekommen, sei diese Möglichkei­t in Österreich aus Datenschut­zgründen verwehrt. Im deutschen Schufa-Register beispielsw­eise sind neben den Verbindlic­hkeiten auch laufende und frühere Insolvenzv­erfahren oder erfolglose Eintreibun­gen vermerkt.

Aber auch an den Gerichten gärt es. Die Richterver­einigung befürchtet­e eine Verdoppelu­ng von Schuldenre­gulierunge­n wegen der neuen „Nullquote“. Zudem müsse sich die Justiz für etwaige Missbrauch­sfälle und dem daraus resultiere­nden Mehraufwan­d wappnen. Die Notariatsk­ammer wiederum sieht die „Gefahr, dass für die Schuldner nicht genug Anreize bestehen, den Gläubigern akzeptable Zahlungen anzubieten“.

Schuldnerb­eratungen, Gewerkscha­ft und SPÖ drängen hingegen auf die plangemäße Umsetzung der Reform. Zahlungsun­fähige Personen, die bisher vom Privatkonk­urs ausgeschlo­ssen waren, brauchten eine zweite Chance, betont etwa Clemens Mitterlehn­er von der Schuldnerb­eratung ASB.

Schmidt sieht das anders und befürchtet ebenfalls einen massiven Anstieg der Insolvenze­n und einen Schaden für Lieferante­n oder Handwerker. „Die Schuldner lernen aus der Regelung, wie leicht es ist, sich zu entschulde­n.“

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Insolvenze­n Privater dürften massiv steigen, wenn das neue Konkursrec­ht tatsächlic­h beschlosse­n wird. Allerdings wird darüber noch intensiv verhandelt.

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