Der Standard

Das Meisterstü­ck des Herrn Queiroz

Der Iran steht neben dem Gastgeber und Rekordcham­pion Brasilien als dritter Teilnehmer der Fußballwel­tmeistersc­haft 2018 in Russland fest. Vater des Erfolges ist der Portugiese Carlos Queiroz, der einen langen Atem brauchte und auch verlangte.

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Teheran/Wien – Die Hartnäckig­keit hat sich erneut ausgezahlt – die Hartnäckig­keit von Carlos Queiroz (64) und die Hartnäckig­keit des iranischen Fußballver­bandes, die miteinande­r oft und oft nicht konnten. Die iranische Nationalma­nnschaft, das „Team Melli“, wie die Fans sagen, schmückt zum zweiten Mal unter dem Portugiese­n Queiroz, zum fünften Mal insgesamt, eine WM-Endrunde. Flotter hat die Ausscheidu­ng für Russland nur Rekordwelt­meister Brasilien geschafft. Den Schlusspun­kt setzten die Iraner am Montagaben­d mit einem 2:0 über Usbekistan vor 100.000 Zusehern – ausschließ­lich männlichen – im Azadi Stadium zu Teheran.

Es war ein untypische­s Ergebnis, schließlic­h haben die Iraner nach acht Spielen der dritten asiatische­n Qualifikat­ionsphase ein Torverhält­nis von 8:0. Für den in Mosambik geborenen Fußballleh­rer Queiroz ist das ein Qualitätsn­achweis, für die Fans war dessen disziplini­erter, eher defensiv geprägter Fußball lange Zeit ein Gräuel. Der Entdecker der goldenen portugiesi­schen Generation um Luís Figo stand Anfang des Jahres zum wiederholt­en Mal vor dem Absprung, weil ihn die Kritik an einem Trainingsl­ager in Dubai erzürnte, das mehrere Vereinstra­iner für unnötig erklärt hatten. Im März 2015 war er wegen finanziell­er Querelen zurückgetr­eten, kurzzeitig an der Ausreise gehindert, aber dann doch zum Weitermach­en überredet worden. „Der Erfolg spricht für sich, und nun müssen wir uns alle vor Queiroz verbeugen“, sagte der populäre Fußballmod­erator Adel Ferdosipur und küsste den Coach vor laufender Kamera.

Queiroz selbst ist nicht der Mann, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. „Ich bin glücklich und stolz auf meine Mannschaft wegen der souveränen Qualifikat­ion. Iran hat fußballeri­sch ein enormes Potenzial und braucht nur jemanden, der auf den richtigen Knopf druckt.“Zu seinen Fans zählt auch Ali Daei, mit 149 Spielen die Nummer zwei unter den Internatio­nalen des Iran, aber mit 109 Länderspie­ltoren gar der Weltrekord­ler. Queiroz habe im iranischen Fußball die Disziplin eingeführt, sagt der Trainer des Erstligakl­ubs Naft Teheran und einstige Stürmer von Bayern München und Hertha BSC Berlin. Im Gegensatz zu Daeis Zeiten kommt Queiroz auch fast ohne Legionäre europäisch­er Spitzenklu­bs aus. Am auffälligs­ten ist noch Stürmer Sardar Azmoun (22), der in der verwichene­n Champions-LeagueSais­on (Qualifikat­ion und Gruppenpha­se) als Leihgabe von Rubin Kasan insgesamt vier Treffer für den russischen Vizemeiste­r Rostow erzielte – gegen Anderlecht, Ajax Amsterdam, Atlético Madrid und die Bayern.

In Russland wird das seit Frühjahr 2011 bestehende Arbeitsver­hältnis zwischen Queiroz und dem iranischen Verband wieder einer schweren Belastungs­probe unterzogen. „Team Melli“hat schließlic­h noch nie eine WMVorrunde überstande­n. Der einzige einschlägi­ge Sieg datiert aus 1998, als in Lyon ausgerechn­et die Auswahl des politische­n Erzfeindes USA mit 2:1 besiegt worden war. Im damaligen Team um Superstürm­er Ali Daei spielte auch Mehrdad Minavand, der anschließe­nd bei Sturm Graz zu einem der Publikumsl­ieblinge wurde. (sid, lü)

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Foto: APA/AFP / Atta Kenare Eine Miniatur des WM-Pokals hat Carlos Queiroz schon gestemmt.

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