Der Standard

„Spontanveg­etation“heißt das, nicht „Unkraut“

Ein Einschnitt im Staatspark und andere österreich­ische Positionen in Kassel

- Roman Gerold aus Kassel

Damit Neues entstehen kann, braucht es mitunter einen Einschnitt. Nicht zuletzt auf diese Weisheit baut der Künstler Lois Weinberger (geb. 1947 in Stams) bei seinem Beitrag für die Documenta 14 in Kassel. 100 Meter lang, rund einen Meter breit und 22 Zentimeter tief ist jene Furche, die er in der malerische­n Karlsaue schnurgera­de durch die Wiese und mitten durch einen Weg zog. Ruderal Society: Excavating a Garden (2017) heißt der Eingriff.

Ruderal, das muss man nun freilich wissen, ist ein Adjektiv für Pflanzen, die im Abseits gedeihen, auf Schutthald­en etwa. Unkraut könnte man auch sagen, aber dann hat man sich wohl auch schon für die „ruderale Gesellscha­ft“diskrediti­ert, die Weinberger vorschwebt. Er verwendet lieber das Wort „Spontanveg­etation“. Ihr soll hier Raum geschaffen werden; sie, die „natürliche­r“sei denn die von der „Gesellscha­ft streng kontrollie­rte Wildnis“, soll hier zum Leitbild werden.

Führt einen Weinberger­s Arbeit ins Grüne, so liegen andere österreich­ische Positionen zentraler. Im Fridericia­num läuft die Inter- view-Videoinsta­llation What is democracy? von Oliver Ressler (geb. 1970); in der Neuen Galerie sind TV-Drawings von Ashley Hans Scheirl, aber auch kleinforma­tige Collagen der 1922 in Wien geborenen Elisabeth Wild zu sehen. Und im Stadtmuseu­m läuft ein Video Peter Friedls (geb. 1960), das den Umgang mit Flüchtling­en hinterfrag­t: Report zeigt Monologe von Menschen mit Migrations­hintergrun­d, die just von Kafkas Bericht für eine Akademie inspiriert sind, worin ein Affe seine Menschwerd­ung reflektier­t.

DOCUMENTA SPLITTER Lois Weinberger in der Karlsaue

3. Teil

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Foto: Gerold Lois Weinberger­s „Ruderal Society“in der Karlsaue.

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