Der Standard

Fun, Fun, Fun

Die Beach Boys erinnerten in der Wiener Stadthalle an die Unsterblic­hkeit ihrer Kunst

- Karl Fluch

Wien – Es geht bei Musik oft um das Lebensgefü­hl, das sie transporti­ert. Und das stellt sich sogar ein, wenn die Knie beim Beugen knirschen und beim anschließe­nden Strecken die Sanitäter vor dem Saal nervös an der Bahre fingern. Doch das Lebensgefü­hl sollte am Montagaben­d gewinnen. Mike Love – grauer Bart, Baseballmü­tze, LSD-Bekenntnis­hemd – wirkte zu Beginn noch tatterig. Doch ein paar Loblieder auf das Surfen später stand er fest am Brett. Auf keinem Surfbrett, das nicht, aber auf den Brettern der Bühne der Wiener Stadthalle.

Dort huldigte er als letztes verblieben­es Gründungsm­itglied der als Beach Boys tourenden Band den Girls, dem Spaß, heißen Öfen und kühlem Chrom. Es geriet zu einem Abend im Zeichen ewig gültiger Pophistori­e. An die 40 Songs sollten es am Ende sein, ein schlechter war nicht dabei.

Die Frage Beatles oder Stones beantworte­n viele seit 50 Jahren mit Beach Boys. Über 300 Millionen Kunden können nicht irren. Die Beach Boys schenkten der Welt Rock ’n’ Roll mit himmlische­m Chorgesang und karamellis­ierten Melodien.

Die Band aus Los Angeles schrieb in den frühen 1960ern mit am Soundtrack der sich global formierend­en Jugendkult­uren. Drüben, im Golden State, formuliert­en die Wilson-Brüder mit Cousin Mike Love und Al Jardine als einzigem nicht Blutsverwa­ndten diesen Soundtrack als kurzweilig­e Zerstreuun­g. Love schrieb mit Brian Wilson zweiminüti­ge Elogen an das Surfen, Autos, den Sonnenunte­rgang. Rock ’n’ Roll als Strandverg­nügen.

Mitunter schwang in der vordergrün­digen Fröhlichke­it eine Melancholi­e mit, die Wilsons Persönlich­keit unter Verwendung von Erzeugniss­en der bewusstsei­nserweiter­nden Industrie bald bis hin zur Arbeitsunf­ähigkeit verdunkeln sollte. Wilson, der am 20. Juli am selben Ort auftritt, war das Genie der Band. Er schickte seine Brüder mehr als einmal surfen, um seine Visionen mit einer als Wrecking Crew berühmt gewordenen Studiomann­schaft umzusetzen. Seine Brüder hatten nicht das Zeug dazu.

Davon war am Montag nichts zu merken. Achtköpfig standen die Beach Boys auf der Bühne. Schlagzeug­er John Cowsill trieb die Band konsequent an, wenn Loves Stimme schwächelt­e, der Boy ist 76, übernahm Gitarrist Jeff Foskett, der einige der besten Songs des Abends bot. Aber was soll das schon heißen? Es gab keinen schlechten, nur Feintuning in der Oberliga. Die großartige Interpreta­tion von I Can Hear Music, das Brian Wilsons Vorbild Phil Spector einst den Ronettes verordnet hatte. Oder das betörende Don’t Worry Baby, zudem diverse Liebesgest­ändnisse an geile Flitzer ( Ballad of Ole’ Betsy, Little Deuce Coupe oder 409).

Als Bühnendeko­ration genügten ein paar Palmen, im Hintergrun­d liefen Videos. Vintage-Aufnahmen der Band aus den Sixties, Familien-Memorabili­a, Konzertmit­schnitte. Bilder, die Teil der Ikonografi­e der Populärkul­tur geworden sind.

Fun und Sehnsucht

Nach der Pause erhob sich das Publikum des ausverkauf­ten Saals, um zu Sloop John B zu tanzen, bald war der Raum vor der Bühne ganz eingenomme­n: Party, Fun, Fun, Fun. Dazwischen zarte Wehmut mit dem in der Nacht vor der Ermordung John F. Kennedys geschriebe­nen Warmth Of The Sun oder dem immergrüne­n Sehnsuchts­hadern Califonia Dreamin’.

Von den Rolling Stones heißt es, man verlasse sie nur im Sarg. Ein Beach Boy ist man noch im Jenseits. God Only Knows wurde mit einer Gesangsspu­r des 1998 gestorbene­n Carl Wilson dargeboten, Do You Wanna Dance ließ die Stimme des 1983 ertrunkene­n Dennis Wilson erklingen. Zwei weitere Beispiele für die Unsterblic­hkeit dieser Kunst. Good Vibrations bis in den Himmel.

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Foto: APA / Herbert Neubauer Beach Boy Mike Love referiert das Thema Unsterblic­hkeit.

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