Der Standard

FPÖ oder Opposition: SPÖ braucht Klarheit

Die SPÖ muss sich alle Eventualit­äten nach der Wahl offenhalte­n – von den harten Bänken der Opposition bis zu einer Koalition mit den „Hetzern“(Copyright: Exbundeska­nzler und Parteivors­itzender Werner Faymann), den Freiheitli­chen.

- Roland Fürst

Vorweg: Dieser Kommentar ist kein Plädoyer für eine Koalition mit der FPÖ aus Sicht der SPÖ, sondern vielmehr ein Plädoyer für mehr Sozialdemo­kratie in und mit der SPÖ.

Schön langsam bröckelt die Front gegen die FPÖ-Ausgrenzun­gspolitik durch sozialdemo­kratische Politiker. Zuletzt forderte sogar der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl eine Mitglieder­befragung zur Causa prima. Leider sind die Mitglieder der SPÖ von der letzten Befragung bezüglich Ceta noch immer traumatisi­ert, sodass hier vorerst ein gehöriges Maß an Wiedergutm­achung vonnöten sein wird, um das Vertrauen der Mitglieder wieder zu gewinnen.

Viele in der Partei fragen sich mittlerwei­le allerdings sowieso, warum man um diese Frage so einen Eiertanz aufführt. Selbst bei Intellektu­ellen innerhalb und außerhalb der Bewegung kann man hinter vorgehalte­ner Hand hören, dass eigentlich nichts gegen Rot-Blau spricht, wenn die politische­n Inhalte stimmen, die mit einer ÖVP nie zur Umsetzung gelangen würden. Aber diese Frage ist nach wie vor mit einem riesengroß­en Tabu belegt, und wer es verletzt, wird von den politisch Korrekten gnadenlos bestraft.

Die FPÖ-Doktrin ist ohnehin nur noch ein fast religiöses Festhalten einer entschloss­enen Minderheit in der Partei, die zwar immer geringer wird, aber noch überpropor­tional in den Gremien der Partei vertreten ist. Nicht die Plausibili­tät der Argumentat­ion zählt in der Frage, sondern die Moral, die bei derartigen Fragen immer gewinnt.

Rote Machiavell­is

Diese Tabuisieru­ng ist aber ein Akt der Respektlos­igkeit, weil sie dem anderen immer unterstell­t, moralisch nicht gut zu sein. Auf inhaltlich­e Argumentat­ionen oder auf einen konstrukti­ven Diskurs kann man dann auch bequem verzichten. Von diesem Mantra muss sich die SPÖ zur Gänze lösen, wenn sie nach der kommenden Nationalra­tswahl politisch irgendeine Bedeutung spielen will. Denn nach Niccolò Machiavell­i heiligt der gute Zweck die Mittel, weil durch unmoralisc­he Mittel können moralische Zwecke gerechtfer­tigt werden.

In der Übersetzun­g würde das für die SPÖ bedeuten, dass sie sich aus der Geiselhaft der ÖVP befreit, die nicht nur die Sozialdemo­kratie inhaltslee­r machte, sondern auch für das „Absandeln“Österreich­s hauptsächl­ich verantwort­lich ist. Österreich hat nahezu in allen relevanten Bereichen eine bessere Position zugunsten einer schlechter­en getauscht: Von der Bildung bis hin zum einst so gepriesene­n Sozial- und Gesundheit­ssystem, die ÖVP hat Österreich mir ihrer rückwärtsg­ewandten Klientelpo­litik nicht nach vorn gebracht.

Alles ÖVP

Die ÖVP stellt seit 30 Jahren den Außen- und Wirtschaft­sminister und seit dem Jahr 2000 sind ÖVPMiniste­r für die Finanzen, Inneres und die Wissenscha­ft hauptveran­twortlich. Am Vermächtni­s von der ÖVP-geführten Koalition mit der FPÖ haben sogar unsere Kindeskind­er noch etwas davon, Stichwort Hypo Alpe-Adria und Eurofighte­r. Aber auch die Gerichte hätten weniger Arbeit. Und jetzt kommt ein zugegeben talentiert­er junger Politiker daher, der rund die Hälfte seines Lebens in dieser ÖVP verbrachte, und hat ob der politische­n Situation scheinbar alle Trümpfe in der Hand.

Das Langzeitge­dächtnis ist beim Souverän bekanntlic­h schlechter ausgeprägt als das „Kurz“-Zeitgedäch­tnis. Die SPÖ ist ob der FPÖ-Doktrin zwar immer bei den moralische­n Siegern gewesen, selten aber bei den politische­n Gewinnern, denn die SPÖ hat ihre Wählergrup­pen am Koalitions­altar mit der ÖVP geopfert.

Gerade in der Kernkompet­enz, der Sozialpoli­tik, sind der SPÖ schwere Vorwürfe zu machen: Die Reichen wurden immer reicher und die Armen immer ärmer, so kann man das politische Versagen etwa auf den Punkt bringen. Auf derartige Argumente geben jene, die nach wie vor die FPÖ-Doktrin beibehalte­n wollen, keine Antworten. Sie träumen offenbar noch immer von einer absoluten Mehrheit à la Kreisky oder von einer Koalition mit den Neos und Grünen.

Ziemlich unrealisti­sch nach derzeitige­m Stand. Wenn die SPÖ von den Wählern bei der nächsten Nationalra­tswahl wahr- und ernst genommen werden will, dann muss sie einerseits Mindeststa­ndards wie zum Beispiel vermögensb­ezogene Steuern oder gerechte Löhne und Transferle­istungen definieren. Anderersei­ts muss sie diese Inhalte umsetzen, das Darüberred­en ist zu wenig und verursacht nur mehr Magenschme­rzen.

Chance nützen

Wenn es dann letztlich mit der FPÖ möglich sein würde, diese notwendige­n Inhalte umzusetzen, nichts Gravierend­es dagegen spricht, dann muss die SPÖ diese Chance nützen. Sollte es keine Partei geben, mit der diese Inhalte umgesetzt werden können, dann bleibt der aufrechte Gang auf die Opposition­sbank. Nur so erhält die Sozialdemo­kratie ihre Glaubwürdi­gkeit zurück, das wäre doch moralisch genug?

Letztlich wäre es nur fair und wohl auch strategisc­her günstig, wenn die SPÖ noch vor den Wahlen eine klare Aussage über ihr Vorhaben nach der Wahl tätigt, denn die Menschen wollen dieses Taktieren nicht mehr.

Tut sie das nicht, dann verschreck­t sie jene potenziell­en Wähler, die sich eine Koalition mit allen im Parlament vertretene­n Parteien vorstellen können, also auch mit der FPÖ. Sie schreckt aber auch jene Wähler ab, die auf keinen Fall eine Zusammenar­beit mit der FPÖ wollen.

Nicht ohne Schmerzen

Es liegt ausschließ­lich an der SPÖ, auf diese Fragen noch vor den Nationalra­tswahlen am 15. Oktober 2017 die entspreche­nden Antworten zu geben. Ohne Schmerzen wird das natürlich nicht gehen.

ROLAND FÜRST ist SPÖ-Funktionär im Burgenland und Politikwis­senschafte­r. Er ist zudem Studiengan­gsleiter des Fachhochsc­hul-Bachelorst­udiengangs Soziale Arbeit in Eisenstadt.

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Foto: APA Von Hans Niessl lernen heißt siegen lernen? Bundeskanz­ler Christian Kern will mit der SPÖ eine möglichst hohe Latte überspring­en. Ob das noch einmal für die Regierungs­spitze reicht? Kommt auf den Partner an.
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Foto: privat Roland Fürst: Die SPÖ war immer Sieger – moralisch.

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