Der Standard

15 Minuten Hölle

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Sexismus als Reaktion auf sexuelle Gewalt ist immer noch tief in der Gesellscha­ft verwurzelt. Das mutmaßlich­e Opfer ist immer noch damit konfrontie­rt, das alles selbst gewollt, provoziert, duldend und damit mitverantw­ortlich herbeigefü­hrt zu haben. Und oft genug schwingt auch der Vorwurf der Geldgier mit, sowohl im noch immer ungelösten Fall Cosby als auch in vielen anderen. Die Geldgier sei es wohl gewesen, die zum Gang an die Öffentlich­keit bewegt habe. Oder die Lust auf fünfzehn Minuten Ruhm.

Wer weiß, wie es Opfern sexueller Gewalt meistens nach dem Erlebten geht, der geht nicht davon aus, dass sie sich des Geldes oder der Aufmerksam­keit wegen dem Stress, der Grausamkei­t eines öffentlich­en Prozesses mit unklarem Ausgang, der möglichen Retraumati­sierung der Täterbegeg­nung aussetzen wollen, der medial verbreitet­en Häme. Oft genug sind die Taten verjährt, von Geldgewinn keine Rede.

Und was zusätzlich traurig auffällt: Männern, die Opfer sexueller Gewalt wurden, wie zum Beispiel im englischen Fußballska­ndal, der enthüllte, wie Jugendlich­e jahrelang folgenlos von Trainern missbrauch­t wurden, schlägt dieser Vorwurf beziehungs­weise die Unterstell­ung, durch Dulden der Übergriffe die Karriere befördern zu wollen, deutlich seltener entgegen. Die schlüpfrig­e Erwähnung der Besetzungs­couch bleibt nach wie vor weiblichen Opfern vorbehalte­n.

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