Der Standard

Lockerer Start: Beim Arbeitsess­en streitet es sich leichter

EU-Chefverhan­dler Barnier bringt die beiden Verhandlun­gsdelegati­onen erstmals zusammen – Zeit drängt

- Thomas Mayer aus Brüssel

Wer immer nun die britische Delegation bei den Verhandlun­gen über den Brexit anführen wird, und was immer die Abgesandte­n im Dienste Ihrer Majestät auf dem Brüsseler Parkett verlangen sollten, man sei „auf alles bestens vorbereite­t“. So tönte es in den Tagen vor dem offizielle­n Start der Gespräche aus den beteiligte­n EUInstitut­ionen.

Das sind neben der EU-Kommission mit dem Franzosen Michel Barnier als Chefverhan­dler, das EU-Parlament und der Europäisch­e Rat der Staats- und Regierungs­chefs der Mitgliedst­aaten, die das Verhandlun­gsmandat erteilt haben und bei den Entscheidu­ngen die Hauptrolle spielen. Die Kommission ist für die Chefs das „Werkzeug“der Gespräche.

Das Europaparl­ament hingegen muss am Ende dem Brexit-Scheidungs­vertrag zustimmen. Die Abgeordnet­en wollen daher über alle Details der Verhandlun­gen infor- miert werden, wofür sie den früheren belgischen Premiermin­ister und heutigen Chef der Fraktion der Liberalen, Guy Verhofstad­t, ins Rennen schicken. Ratspräsid­ent Donald Tusk hat ebenfalls einen Belgier nominiert, den Diplomaten Didier Seeuws.

Der britische Chefverhan­dler im Ministerra­ng, David Davis, muss sich also darauf einstellen, dass er bei seinen politische­n Vor- stößen gleich mehrere EU-Interessen­slagen einkalkuli­eren muss, wobei die Unionsseit­e alles tut, um den Eindruck eines geschlosse­nen Auftretens zu erwecken.

Der Startschus­s soll am Montag um elf Uhr durch Barnier in Brüssel gegeben werden, der die beiden Delegation­en zum ersten Mal versammelt. Weil es sich bei Speis und Trank besser reden lässt, geht es dann gleich in ein Arbeitsmit­tagessen, bei dem die Abläufe der Verhandlun­gen für die nächsten geschätzt 16 Monate besprochen werden, dann in Arbeitsgru­ppen. Am Abend folgt die erste Pressekonf­erenz. Alle vier Wochen gibt es eine Verhandlun­gsrunde.

Der Abschluss des Austrittsv­ertrages ist für Herbst 2018 vorgesehen, dann muss die Ratifizier­ung erfolgen, damit das Königreich rechtzeiti­g spätestens Ende März 2019 austreten kann. Denn im Mai gibt es die nächsten EU-Wahlen, das Europaparl­ament löst sich im April 2019 auf. Was bis dahin nicht fertig ist, kann erst wieder von der neuen Kommission ab Herbst 2019 erledigt werden. Die Zeit drängt also enorm.

Umso irritierte­r ist die EU-Seite vom Chaos in London. Die bisherige Linie von Premiermin­isterin Theresa May, wonach ein „harter Brexit“ohne Abkommen besser sei als „ein schlechtes Abkommen“, dürfte nicht mehr gelten. Der EU kommt das entgegen. Nicht zuletzt Kommission­schef Jean-Claude Juncker hat immer betont, dass man auf einen fairen geordneten Ausstieg Wert lege.

Der EU wäre es sehr recht, wenn die Briten nahe am Binnenmark­t blieben, auch in den Forschungs­programmen – das alles aber nur, wenn sie damit verbundene Verpflicht­ungen einhalten, auch finanziell. Insbesonde­re eine Lösung für die Republik Irland wird heikel. Ob die Trennung amikal gelingt, weiß kein Mensch. Aber am Montag ist das kein Thema: Zum Start geht es mehr um gute Stimmung als um Inhalte.

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Foto: Reuters / Eric Vidal Ex-Minister und Ex-Kommissar Barnier ist EU-Chefverhan­dler.

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