Der Standard

Offene Türen bei den deutschen Grünen

Drei Monate vor der Bundestags­wahl senden die Grünen Signale an SPD und Union. Sie wollen ab Herbst im Bund mitregiere­n, in ihrem Programm aber gibt es mit Ehe für alle, Asyl und Klimaschut­z rote Linien.

- Birgit Baumann aus Berlin

Als es dann am frühen Sonntagnac­hmittag endlich geschafft war, als alle Punkte ausdiskuti­ert, das Wahlprogra­mm beschlosse­n war und die Delegierte­n nur noch rauswollte­n aus dem dunklen Berliner Velodrom in die schattigen Biergärten, da drehte Fraktionsc­hefin und Spitzenkan­didatin Katrin GöringEcka­rdt noch einmal richtig auf.

„Wir wollen die Republik rocken“, rief sie ihrer Partei zu. „Wir haben gezeigt, was wir draufhaben. Jetzt gehen wir raus, und jetzt zeigen wir es den anderen. Einmal ausschlafe­n und durchatmen, dann raus in den Wahlkampf!“So lautete der Appell von „KGE“, und die grüne Basis jubelte.

Von Freitagnac­hmittag an war sie auf dem Parteitag, der bei den deutschen Grünen „Bundesdele­giertenkon­ferenz“heißt, zusammenge­sessen und hatte Stunde um Stunde das Wahlprogra­mm für die Bundestags­wahl am 24. September zusammenge­zimmert.

Einfach war das nicht, denn es lagen rund 2200 Änderungsa­nträge vor. Wohin die Reise gehen sollte, das machte Cem Özdemir, Parteichef und zweiter Spitzenkan­didat, deutlich. Man will sich im Wahlkampf nicht an die SPD ketten, sondern nach der Wahl auch für Gespräche mit der Union offen sein. „Wenn alle immer alles aus- schließen, bleibt es bei der großen Koalition“, erklärte Özdemir. Daher seien die Grünen bereit, mit allen Parteien außer der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) über eine mögliche Regierungs­bildung zu sprechen und nach zwölf Jahren Opposition wieder auf die Regierungs­bank zurückzuke­hren.

Doch im Wahlprogra­mm finden sich – entgegen den Planungen des grünen Spitzenduo­s – nun doch „rote Linien“, die auf jeden Fall in einem Koalitions­vertrag drinstehen müssen. So setzte die Basis durch, dass es nun im Programm heißt: „Mit uns wird es keinen Koalitions­vertrag ohne die Ehe für alle geben.“Damit wäre Homosexuel­len auch die Adoption von Kindern erlaubt.

Auch in der Asylpoliti­k formuliert­e die Basis eine Bedingung: „Mit uns in der Regierung wird es keine Abschiebun­gen in Krisenregi­onen geben, die so unsicher sind wie zum Beispiel Afghanista­n momentan.“Auch eine Obergrenze für Flüchtling­e wird klar abgelehnt. Und Özdemir musste verspreche­n, dass er keinen Koalitions­vertrag unterschre­ibt, der nicht Verbesseru­ngen beim Klimaschut­z bringt.

Ab 2030 nur noch abgasfrei

Im Programm mit dem Titel „Zukunft wird aus Mut gemacht“stehen folgende Forderunge­n: Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos in Deutschlan­d neu zugelassen werden. Bis 2030 soll es 100 Prozent Ökostrom in Deutschlan­d geben und Schluss sein mit der Stromgewin­nung aus Kohle. Die 20 schmutzigs­ten Kraftwerke wol- len die Grünen schon in der nächsten Legislatur­periode vom Netz nehmen. Auf Antrag der Grünen Jugend kam folgende Forderung ins Programm: Größere Supermärkt­e werden dazu verpflicht­et, Lebensmitt­el kostenlos zur Verfügung zu stellen, statt sie wegzuwerfe­n. Außerdem wollen die Grünen eine Vermögenst­euer für „Superreich­e“, wobei keine Grenze festgelegt wurde.

Zahlreiche Spitzengrü­ne zeigten sich auf dem Parteitag zuversicht­lich, das grüne Ziel zu erreichen: drittstärk­ste Kraft und zweistelli­g. Viel Applaus bekam Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, als er erklärte: „Wir wollen regieren. Wir wollen aber nicht wegen der verdammten Dienstwage­n regieren, wir wollen regieren, um zu verändern.“

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Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt (re.), die grünen Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl, sitzen hier verkehrt. Ab Herbst wollen sie ihre Partei wieder auf der Regierungs­bank sitzen sehen.

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