Der Standard

Kindergart­en: Ausbauprog­ramm wackelt

Die Finanzieru­ng der Kinderbetr­euung soll auf neue Beine gestellt werden. Da die Datenlage in den Ländern aber schlecht ist, drohen Verzögerun­gen. Dadurch wackeln auch laufende Ausbauprog­ramme.

- Günther Oswald

Wien – Wer seinen Nachwuchs schon in jungen Jahren in eine Kinderbetr­euungseinr­ichtung geben will, findet in den einzelnen Bundesländ­ern noch immer extrem unterschie­dliche Rahmenbedi­ngungen vor. In Vorarlberg hatten 2015 nur 28 Prozent der Kindergärt­en länger als neun Stunden täglich geöffnet, in Salzburg, Kärnten und dem Burgenland waren es immerhin 50 Prozent, und in Wien haben fast alle Einrichtun­gen ganztägig geöffnet.

Auch bei den Schließtag­en gibt es laut Familienmi­nisterium enorme Unterschie­de. In Vorarlberg waren die Kindergärt­en im Schnitt fast 40 Tage geschlosse­n, in der Steiermark 25 und in Wien nur 3,4 Tage (hier liegen aber nur Daten aus dem Jahr 2014 vor). Nicht zuletzt deshalb variieren die Betreuungs­quoten bei den null- bis zweijährig­en Kindern stark. Am niedrigste­n ist sie in Oberösterr­eich (16,3 Prozent) und der Steiermark (18 Prozent), am besten schneidet auch hier Wien ab (45 Prozent).

Wegen solcher Probleme wurde beim neuen Finanzausg­leich Ende 2016 vereinbart, künftig Gemeinden mit einem besseren Betreuungs­angebot mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Wer also längere Öffnungsze­iten, mehr Plätze oder gezielte Angebote für Kleinkinde­r anbietet, soll stärker gefördert werden. Wer das nicht tut, soll umgekehrt weniger Mittel bekommen. In der Fachsprach­e nennt sich das dann „aufgabenor­ientierter Finanzausg­leich“.

Details dazu wurden allerdings im Vorjahr noch nicht vereinbart, die sollten bis September nachgelief­ert werden und dann per Verordnung einvernehm­lich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden festgelegt werden. Die Verhandlun­gen gestalten sich aber äußerst schwierig. Der Präsident des Gemeindebu­ndes, Alfred Riedl, geht fix von einer Verzögerun­g aus: „Heuer wird das nicht mehr stattfinde­n“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Hauptprobl­em sei, dass man komplett unterschät­zt habe, wie schlecht die Datenlage sei, vor allem dort, wo es um private Kindergart­enbetreibe­r gehe. „Das ist nirgends zentral abrufbar“, sagt Riedl. Er plädiert auch dafür, den Modellvers­uch nicht allzu groß anzulegen. Zunächst war in Diskussion, eine Milliarde Euro nach bestimmten Qualitätsk­riterien zwischen den Gemeinden umzuvertei­len, angesichts der vielen offenen Fragen plädiere er aber nun für maximal 200 bis 300 Millionen.

Zögerliche Länder

Da das aber eben alles heuer nicht mehr umsetzbar sei, plädieren die Gemeinden dafür, vorerst den alten Bund-Länder-Vertrag, der heuer ausläuft, zu verlängern. Darin wurde den Kommunen vom Bund für die Jahre 2014 bis 2017 305 Millionen Euro an Fördermitt­eln für den Ausbau neuer Betreuungs­plätze zugesicher­t, für heuer stehen noch 52,5 Millionen bereit. Ausgeschöp­ft wurde der Topf bisher aber nicht. So wurden im Jahr 2015 nur 52 Prozent der Mittel abgerufen (die Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor).

Trotz der bisherigen Zurückhalt­ung einiger Länder (besonders schlecht war Tirol) drängt der Gemeindebu­ndpräsiden­t auf eine rasche Verlängeru­ng der alten Vereinbaru­ng um „ein bis zwei Jahre“: Aus vielen Gemeinden gebe es Rückmeldun­gen, dass man Ausbauplän­e stoppen müsse, wenn es nicht bald Zusagen gebe.

Im Finanzmini­sterium schließt man das auch nicht aus. Man sei in laufenden Verhandlun­gen, eine Verlängeru­ng sei „eine Variante“, heißt es. In SPÖ-Kreisen wird betont, man brauche jedenfalls in den kommenden Jahren zusätzlich­e Mittel. Hinter vorgehalte­ner Hand wird dem Finanzress­ort auch vorgeworfe­n, nicht gerade Druck beim Kindergart­enthema zu machen.

Wie berichtet stellt die SPÖ für künftige Koalitions­verhand- lungen die Bedingung, ab 2020 – ähnlich wie in Deutschlan­d (siehe unten) – einen Rechtsansp­ruch auf Ganztagski­nderbetreu­ung ab dem vollendete­n ersten Lebensjahr einzuführe­n.

Für Riedl ist so eine rasche Umsetzung „illusorisc­h“, schon jetzt sei die Berücksich­tigung der Elternwüns­che für kleine Gemeinden kaum organisier­bar. Sollte ein Rechtsansp­ruch kommen, geht Riedl von Mehrkosten in Höhe von einer Milliarde Euro aus (derzeit liegen die Gesamtkost­en bei etwas über zwei Milliarden). Deshalb sei so ein Modell nur mit „anständige­n Elternbeit­rägen“machbar, sagt er.

Kostenfrei­heit ab dem ersten Jahr ist freilich auch im „Plan A“von SPÖ-Chef Christian Kern nicht vorgesehen. Lediglich das zweite verpflicht­ende Kindergart­enjahr soll kostenlos sein, heißt es darin.

SOS-Kinderwelt S. 8, Kommentar S. 20

 ?? Foto: APA ?? Im Jahr 2015/2016 wurden zwar über 11.000 neue Kinderbetr­euungsplät­ze geschaffen, nicht in allen Bundesländ­ern ist aber die ganztägige Betreuung von Kleinkinde­rn schon Usus. In Vorarlberg haben weniger als 30 Prozent der Kindergärt­en mehr als neun Stunden am Tag geöffnet.
Foto: APA Im Jahr 2015/2016 wurden zwar über 11.000 neue Kinderbetr­euungsplät­ze geschaffen, nicht in allen Bundesländ­ern ist aber die ganztägige Betreuung von Kleinkinde­rn schon Usus. In Vorarlberg haben weniger als 30 Prozent der Kindergärt­en mehr als neun Stunden am Tag geöffnet.

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