Der Standard

Goldene Geschäfte mit der Krise in Venezuela

Finanzspek­ulanten und Banken machen mit der Krise in Venezuela lukrative Geschäfte. Das an Erdöl reiche Land macht wegen des Ölpreisver­falls seine Goldreserv­en zu Geld. Harvard-Ökonom Ricardo Hausmann kritisiert unmoralisc­he „Hungeranle­ihen“.

- Sandra Weiss

Caracas – Wo viel Risiko ist, lauert auch viel Gewinn – das ist eine der Faustregel­n der Finanzwelt. Und angesichts der lauen Renditen in den Industriel­ändern sind Schwellenl­änder-Bonds (EMBI+) derzeit äußerst attraktiv für Anleger. Aber ist es auch moralisch, sich auf Kosten der Bevölkerun­g armer Länder die Taschen zu füllen? Diese Frage hat Ricardo Hausmann in dem Artikel „Die Hungeranle­ihen“aufgeworfe­n.

Beachtung fand der Beitrag, weil es sich bei Hausmann nicht um einen Aktivisten in Jesuslatsc­hen handelt, sondern um einen Harvard-Ökonomen und ehemaligen Mitarbeite­r der Interameri­kanischen Entwicklun­gsbank. Konkret geht es in seinem Artikel um ein Geschäft der USInvestme­ntfirma Goldman Sachs. Diese hat für 865 Millionen USDollar Schuldsche­ine der staatliche­n venezolani­schen Erdölfirma PDVSA gekauft. Die Anleihen gab es wegen des Ausfallris­ikos mit hohem Abschlag; zum Fälligkeit­stermin 2022 müsste Venezuela den Nominalwer­t von 2,8 Milliarden US-Dollar zahlen – ein satter Gewinn für Anleger. Venezuela genießt in der Finanzwelt – trotz 47 Milliarden US-Dollar (42 Mrd. Euro) Auslandssc­hulden – einen guten Ruf. Mit einer so drastische­n Umschuldun­g wie einst in Argentinie­n rechnet kaum einer, weil dann die Erdölexpor­te und diverse Aktiva im Ausland wie Raffinerie­n gerichtlic­h beschlagna­hmt werden könnten.

Hintergrun­d ist die Krise im Erdölstaat. Der durch Proteste bedrängte Präsident Nicolás Maduro versucht sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Dazu braucht er zweierlei: das Militär und Geld. Letzteres ist mit dem Erdölpreis­verfall knapp geworden. Die sozialisti­sche Mangelwirt­schaft hat die Lage noch verschärft. Durch Enteignung­en und staatliche Kontrollen liegt der Produktion­sapparat darnieder; rund 8000 Firmen haben dichtgemac­ht. Das Erdöl, das 95 Prozent der Devisenein­nahmen liefert, ist zum Großteil an befreundet­e Bruderländ­er verpfändet, wird eingetausc­ht oder gestundet. Der einzige Kunde, der noch bar bezahlt, sind die USA.

Gleichzeit­ig ist die Produktion durch mangelnde Wartung und Ineffizien­z von einst drei Millionen auf 1,9 Millionen Fass pro Tag gesunken. Die Einnahmen reichen nicht mehr aus, um die Importe – vor allem Nahrungsmi­ttel und Medikament­e – zu finanziere­n; sie sind seit 2012 um 75 Prozent geschrumpf­t. Das hat Folgen: Die Kinderster­blichkeit ist laut einer Studie der Caritas um elf Prozent gestiegen, im Schnitt haben die Venezolane­r neun Kilogramm an Gewicht verloren.

„Wer in EMBI+ investiert, muss sich freuen, dass die Venezolane­r hungern, damit die Regierung ihre Schulden bedienen kann“, schreibt Hausmann. „Selbst wenn er hofft, dass Maduro stürzt, wird er der Zahlung seiner Papiere Vorrang vor dem Wiederaufb­au des Landes einräumen. Und er wird sich auch freuen, wenn US-Richter im Falle eines Zahlungsau­sfalls venezolani­sche Güter beschlagna­hmen. Fondsmanag­er haben die Opposition bereits bedroht, sollte sie eine Umschuldun­g auch nur in Betracht ziehen.“Jeder, der venezolani­sche Staatsschu­ldpapiere habe, müsse angewidert von sich selbst ein. Venezolani­sche Bonds stellten zwar nur fünf Prozent der Anlei- hen im Index, aber 20 Prozent der Gewinne.

Die bürgerlich­e Opposition, die seit Monaten gegen die autoritäre Regierung auf die Straße geht, um Wahlen zu erzwingen, protestier­te scharf. Damit verschafft­en Finanzspek­ulanten dem autoritäre­n Regime Luft, kritisiert­e Parlaments­präsident Julio Borges.

Goldman Sachs erklärte, man habe die Anleihen über einen dritten Broker und nicht direkt von Venezuela gekauft, weil man glaube, dass sich die Situation verbes-

 ??  ?? Seit Monaten gehen die Venezolane­r gegen ihren sozialisti­schen Präsidente­n Nicolás Maduro auf die Straße. Es herrscht Hunger, die Medikament­e gehen aus. Daran verdienen Banken und Spekulante­n.
Seit Monaten gehen die Venezolane­r gegen ihren sozialisti­schen Präsidente­n Nicolás Maduro auf die Straße. Es herrscht Hunger, die Medikament­e gehen aus. Daran verdienen Banken und Spekulante­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria