Der Standard

Abschied von der Börse wird – vermeintli­ch – vereinfach­t

Regierungs­vorlage sieht erstmals Delisting vor – Dreivierte­lmehrheit bei Hauptversa­mmlung erforderli­ch

- Nidal Karaman

Wien – Bisher war der Gang an die Wiener Börse eine „Einbahnstr­aße“, zumindest was den Verbleib im Amtlichen Handel betrifft. Einmal gelistet, konnte eine börsennoti­erte Gesellscha­ft die Börse über keinen gesetzlich spezifisch dafür vorgesehen­en Weg verlassen. Um dennoch ein sogenannte­s Delisting zu bewirken, war Kreativitä­t gefragt. Es mussten Umstände herbeigefü­hrt werden, die als Konsequenz ex lege die Aufhebung der Börsennoti­erung zur Folge haben (kaltes Delisting).

Eine dieser Varianten – nämlich die Verschmelz­ung einer börsennoti­erten Gesellscha­ft auf eine nicht börsennoti­erte Tochterges­ellschaft samt damit einhergehe­ndem Delisting – wird derzeit vom Obersten Gerichtsho­f geprüft. Es wird mit Spannung erwartet, ob die diesbezügl­ich zustimmend­e Entscheidu­ng der Vorinstanz bestätigt wird.

Möglicherw­eise wird dies angesichts des geplanten BörseG 2018 aber ohnehin bald obsolet. Das Gesetz soll insbesonde­re den Anlegersch­utz verbessern und die Attraktivi­tät des österreich­ischen Börsehande­ls steigern. Ob dies mit der soeben veröffentl­ichten Regierungs­vorlage erreicht wird, ist teilweise fraglich.

Durch ein Delisting soll der „Anlegersch­utz nicht gefährdet werden“, heißt es im Entwurf. Dieses Ziel soll dann als erfüllt gelten, wenn innerhalb der letzten sechs Monate ein öffentlich­es Angebot im Sinne des Übernahmeg­esetzes an sämtliche Aktionäre gelegt wurde; damit soll jeder Aktionär die Möglichkei­t haben, zu einem gesetzlich bestimmten Preis aus der Gesellscha­ft auszusteig­en, bevor die Gesellscha­ft von der Börse genommen wird. Ein derartiges „Delisting-Angebot“soll aber wiederum dann nicht erforderli­ch sein, wenn eine Zweitnotie­rung an einem geregelten Markt eines anderen EWR-Mitgliedst­aats besteht.

Zusätzlich­e Preisunter­grenze

Gegenüber einem „normalen“Übernahmea­ngebot sollen für ein Delisting-Angebot zusätzlich­e Preisunter­grenzen gelten. Dabei soll auch der durchschni­ttliche Börsenkurs der letzten fünf Börsetage vor Bekanntgab­e der Angebotsab­sicht berücksich­tigt wer- den, was für den österreich­ischen Aktienmark­t allerdings nicht immer repräsenta­tiv sein wird. Liegt der ermittelte Preis aber „offensicht­lich“unter dem „tatsächlic­hen Wert des Unternehme­ns“, ist der Preis „angemessen“festzulege­n. Jahrelange Gerichtsve­rfahren über die Angemessen­heit des Preises sind damit vorprogram­miert.

Eingeschrä­nkt handelbar

Was bedeutet dies nun konkret für den betroffene­n Aktionär? Schlägt er das (allfällige) Delisting-Angebot aus, könnte er sich als Aktionär einer nicht börsennoti­erten Gesellscha­ft wiederfind­en. Solange keine starken Sekundärmä­rkte bestehen, wird damit die Handelbark­eit der Aktie in der Regel eingeschrä­nkt sein. Auch könnte es zu einem gewissen Bewertungs­abschlag kommen, insbesonde­re weil viele institutio­nelle Investoren nur an börsennoti­erten Gesellscha­ften beteiligt sein dürfen und im Falle eines Delistings verkaufen müssten.

Das öffentlich­e Interesse am Regelungsv­orstoß war schon vor der Veröffentl­ichung der Regierungs­vorlage groß. Kritisiert wurde vor allem die Vermeidbar­keit des De- listing-Angebots, sofern ein EWRZweitli­sting besteht, und die anfangs avisierte Absicht, dass der Delisting-Prozess bereits mit einer einfachen Hauptversa­mmlungsmeh­rheit in Gang gesetzt werden kann. In der Vorlage wurde diese Antrittssc­hwelle auf eine Dreivierte­lmehrheit angehoben. Diese Reglelung ist für das österreich­ische Aktienrech­t in der Gesamtscha­u deutlich angemessen­er.

Es werden Lücken bleiben

Es bleibt abzuwarten, ob Österreich tatsächlic­h ein relativ austrittsf­reundliche­s Delisting-Gesetz bekommt oder ob die Novelle im Zuge des Gesetzgebu­ngsprozess­es noch abgewandel­t wird. Offen bleibt auch, ob das Vorhaben angesichts der angekündig­ten Neuwahlen tatsächlic­h noch in dieser Legislatur­periode verabschie­det wird. Für den kreativen Wirtschaft­sanwalt bleibt die Gewissheit, dass auch dieses neue Gesetz nicht frei von Unsicherhe­iten oder Lücken sein wird, die genutzt werden wollen.

DR. NIDAL KARAMAN ist Rechtsanwa­lt und Partner bei Eisenberge­r & Herzog. n.karaman@ehlaw.at

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