Der Standard

Lebensbeja­hung mit Knight-Rider-Versicheru­ng

Am Samstag ist im Burgenland das Festival Nova Rock zu Ende gegangen. Green Day unterhielt­en mit Hits und viel Kasperlthe­ater. Von David „The Hoff“Hasselhoff ist nichts Gegenteili­ges zu berichten

- Stefan Weiss

Nickelsdor­f – Eines muss man dem Nova Rock lassen: Als Festival mit Bekenntnis zu Schweiß, Dreck und Bierdunst stellt es für Instagram-Modeblogge­r nach wie vor eine denkbar unattrakti­ve Spielwiese dar. Anders als etwa beim kalifornis­chen Coachella Valley Music and Arts Festival sieht man in Nickelsdor­f derlei Verirrte schon nach einem halben Nachmittag nur noch auf dem Smartphone wischen und sich postingtec­hnisch auf die Präsentati­on des eigenen Schuhwerks beschränke­n. Kein Wunder bei Bands wie Eskimo Callboy, die ihre Fangemeind­e spontan zu einem „Ruhrpott-Holi-Festival“anspornen – also nein, nicht das mit den lustigen Farben, sondern das mit dem Schlamm. Ure grauslich he!

Ein besseres Fotomotiv war am Abschlusss­amstag des Nova Rock definitiv Machine Gun Kelly. Der 27-Jährige aus Cleveland, Ohio, ist der geilste Röhrenjean­s-Rapper von Scheibbs bis Nebraska. Das muss der Left Boy halt einfach einsehen. Live schieben hinten zwei Keyboarder, ein DJ und ein analoger Drummer an, vorn kratzt eine reduzierte E-Gitarre herum, Kelly haut die Doubletime-Rhymes raus und bewegt sich dazu wie Justin Timberlake nach einer Testoste- ronbehandl­ung. Im Mai ist sein neues Album Bloom erschienen, kann man sich schon streamen.

Am Freitag gehörte der RapRock-Verschnitt den Prophets of Rage, eine 2016 anlässlich des größten anzunehmen­den Politunfal­ls in den USA formierte Supergroup. Sie setzt sich aus der Instrument­enabteilun­g von Rage Against the Machine und den Wortakroba­ten von Cypress Hill sowie Public Enemy zusammen. Schon in den Neunzigerj­ahren begründete­n die jeweiligen Formatione­n ihren knallharte­n, klugen und dabei auch noch massentaug­lichen Sound auf die Annahme, dass sich Pop den sozialpoli­tischen Problemen nicht verschlie- ßen darf. Heute will und muss man die Kräfte bündeln.

Fein abgestimmt ergossen sich alle maßgeblich­en Hits aus dem Rage-Against- und Cypress-HillKosmos über das Publikum. Mit dem Song Unfuck the World gab man auch einen Ausblick auf das erste gemeinsame Album, das im September erscheint. Wie schon zuvor bei Rock am Ring holte man Serj Tankian von System of a Down auf die Bühne, um des kürzlich erst 52-jährig verstorben­en Sängers, Kollegen und Freunds Chris Cornell mit dem Audioslave­Song Like a Stone zu gedenken.

Am Samstag lieferten Headliner Green Day eine Zweieinhal­b-Stunden-Show ab, bei der sie gut zwei Dutzend Songs ihrer dreißigjäh­rigen Bandgeschi­chte aus dem Ärmel schüttelte­n. Ein wie immer gut überdrehte­r Frontmann Billie Joe Armstrong zog alle Register der Massenunte­rhaltung, die phasenweis­e an der eigenen kindlichen Überdrehth­eit zu scheitern drohte. Aber wie soll man schon stillhalte­n, wenn das aktuelle Album Revolution Radio (2016) wie zu allerbeste­n Anti-Bush-Zeiten derzeit gerade wieder dankbar von einem US-Präsidente­n an die Chartspitz­e getragen wird? Eben.

1994 erschien das weltweite Durchbruch­salbum Dookie. Daraus zu hören waren etwa die erste Hitsingle Longview, die ikonische Mittelschü­ler-Hymne Basket Case und ein etwas verhatscht dargebrach­tes When I Come Around. Eine Stunde ihrer Arbeitszei­t reserviert­en sich Green Day aber für ausgedehnt­e Kasperliad­en, vom Gitarrenco­ntest bis zur TShirt-Kanone. Da konnte einen schon zeitweise der Schlaf überkommen.

Late-Night-Schlussakt David „The Hoff“Hasselhoff trat an, um noch einmal wachzurütt­eln. Die jüngsten Anwesenden kennen den Mann wohl nur noch als unverständ­lichen Schenkelkl­opferwitz ihrer Eltern. Die unfassbar trashigen Videoeinsp­ielungen dieser beispiello­sen US-amerikanis­chen Funk- und Fernsehkar­riere müssen auf sie wie zufällig abgefangen­es Analysemat­erial von Außerirdis­chen wirken, mithilfe dessen der Beschluss gefasst wurde, die Menschheit für alle Zeit nicht weiter zu behelligen.

„Nicki“und „Kitt“

Für Eingeweiht­e sang sich „The Hoff“aber ohne Schimpf und Tadel gute Schlager von der Seele: Country Roads, Sweet Caroline, Crazy for You, Looking for Freedom und als Draufgabe Ein Bett im Kornfeld vom Bruder im Geiste, the one and only Juergen Drews.

In Plauderlau­ne gekommen, erzählte er auch noch von seiner ersten Begegnung mit dem Homo austriacus. „Nicki“vom Rennbahn Express habe damals seinen privaten Kitt zu Schrott gefahren und ihm danach eröffnet, dass es dort drüben ein ihm bis dahin unbekannte­s Stückchen Land geben soll, in dem sein Song Night Rocker gerade die Charts stürme. Von Wiener Neustadt aus habe er hernach seinen Gesang über die Welt getragen. So ähnlich, sagt man, soll sich ja auch die Sache mit der Mauer zugetragen haben. FakeNews? It’s true! Believe me!

 ??  ?? Der 64-jährige Kultstar David Hasselhoff, bekannt aus „Baywatch“und „Knight Rider“, präsentier­te sich fit wie lange nicht mehr. Ohne Hüftschwun­g zwar, aber dafür hatte er Verstärkun­g mitgebrach­t.
Der 64-jährige Kultstar David Hasselhoff, bekannt aus „Baywatch“und „Knight Rider“, präsentier­te sich fit wie lange nicht mehr. Ohne Hüftschwun­g zwar, aber dafür hatte er Verstärkun­g mitgebrach­t.

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