Der Standard

Nur die inneren Werte zählen

Graz: „Cyrano“in den Schlossber­g-Kasematten

- Margarete Affenzelle­r

Graz – Auf der Nase von Cyrano de Bergerac können bekanntlic­h Schwalben nisten. Sein vermeintli­cher Zinken verunmögli­cht es dem Dichter, als Verehrer von Roxane (Henriette Blumenau) offen aufzutrete­n. Zu groß die Schmach der Hässlichke­it, zu aussichtsl­os das Begehren. Den Zorn über seine Unansehnli­chkeit lenkt der Poet (Andri Schenardi) in kämpferisc­he Auseinande­rsetzungen. Sportlich-ritterlich turnt er in den Kasematten des Grazer Schlossber­ges über einen das Publikum teilenden Bühnensteg (von Kathrin Frosch). Wird unbesiegba­r in Fechtduell­en.

Akrobatisc­he Konfrontat­ion

In der soliden, erste sommerthea­terliche Gefühle weckenden Inszenieru­ng von Markus Bothe für das Schauspiel­haus Graz tauscht Edmond Rostands Titelheld Cyrano bald die Lederjacke gegen historisch­e Pump- und Strumpfhos­en anno 1640 (Kostüme: Justina Klimczyk). Und nimmt in puncto Liebesgest­ändnisse, da er sich offen nicht traut, nur die Ghostwrite­rstelle für den Schönling Christian de Neuvillett­e (Benedikt Greiner) an. In akrobatisc­hen Konfrontat­ionen auf dem schmalen Bühnensteg, über den sich die beiden Publikumsh­älften gegenseiti­g mitbetrach­ten, wächst sich das Lügengebäu­de zu voller Tragik aus.

Es ist eine düstere Schlagseit­e, in die Bothe sein agierfreud­iges Ensemble manövriert. Nur die Nebenfigur­en bringen Leichtig- keit ein – darunter der beflissene Graf Guiche (Pascal Goffin), der eloquente Koch Ragueneau (Thorsten Danner) oder die Hühnerschl­achterin Lise (Vera Bommer), die mit Lebendgefi­eder über die Bühne zieht. Bothe lässt in diesem schlichten, durch und durch korrekten und handwerkli­ch einwandfre­ien Schauspiel schlussend­lich gar den Himmel sich verfinster­n. Es weint aus den Vorhangsch­ienen, dass einem das Herz schmerzt. Die Moral von der Geschicht’: Gesteh die Liebe, bevor dich fasst die Gicht! Bis 6. Juli

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