Der Standard

Mitglieder­abstimmung­en sind kein Risiko

-

Theoretisc­h war auch der Politikwis­senschafte­r Anton Pelinka immer für mehr Demokratie. In letzter Zeit wird der Aufklärer immer konservati­ver. In einer Diskussion über die Grünen verhielt er sich merkwürdig negativ gegenüber den jungen Aufbegehre­rn. Und jetzt, nach dem SPÖ-Beschluss einer Abstimmung über einen etwaigen Koalitions­vertrag (nicht nur mit der FPÖ), sprach er im ORF von einer „Flucht aus der Verantwort­ung“. Geht es um Prinzipiel­les oder bloß um eine Verhinderu­ng der FPÖ als Regierungs­partei?

Was Pelinka (und Zeitungsko­mmentatore­n) als „riskant“bezeichnet, ist einerseits Angst vor einer Schwächung der Institutio­nendemokra­tie. Anderersei­ts bestimmt tatsächlic­h die Furcht vor einem Machtzuwac­hs der Freiheitli­chen die Kritik am Einsatz direkter Demokratie.F reilich sollte man nicht – wie es die FPÖ verlangt – über jedes mittlere Problem abstimmen lassen und damit den Parlamenta­rismus entmachten. Oder – wie Jörg Haider – Volksbegeh­ren als Aufwärmrun­den für Wahlkämpfe inszeniere­n. Zentrale Fragen jedoch sind „basisreif“.

Seit Franz Vranitzky und seiner Ablehnung einer SPÖ/FPÖKoaliti­on (weil die Freiheitli­chen mit Haider Rechtspopu­listen wurden) ist viel Zeit vergangen. Mehr Mitbestimm­ung der Basis hat sich in Westeuropa durchgeset­zt.

Der Koalitions­vertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde im Dezember 2013 den SPD-Mitglieder­n vorgelegt, immer öfter werden Parteichef­s entgegen der öffentlich­en (Me- dien-)Meinung nicht mehr von den Parteivors­tänden gewählt.

Könnte es sein, dass die österreich­ischen Parteispit­zen mutiger sind als die innenpolit­ischen Zeitungsko­mmentatore­n? Es hat sich sogar der Anführer der „neuen ÖVP“, Sebastian Kurz, getraut, eine Lotteriech­efin zur Partei-Vizin zu machen. Hat er damit nicht der Politik als Glücksspie­l endlich Geltung verschafft? Aber wagt er auch wie die SPÖ eine Koalitions­abstimmung?

Wahlen oder „Urabstimmu­ngen“sind immer Risiko und Lotterie zugleich. Im Fall der SPÖ, deren Bundesspit­ze unter wachsendem Druck der Anhänger einer Koalition mit der FPÖ steht, sind sie wahrschein­lichU die einzige Lösung. mso mehr, als die vom Parteivors­tand vergangene Woche beschlosse­nen sieben Punkte nicht nur ein Richtungsk­ompass, sondern ein leicht vermittelb­ares Parteiprog­ramm sind. Das kann jede Funktionär­in und jeder Funktionär über den Sommer auswendig lernen. Spannend wird es, wenn das Kern-Gegenüber Kurz in zwei Monaten seine Punkte vorlegt. Dann kann man hoffentlic­h direkt vergleiche­n.

Die SPÖ-Punktation enthält sowohl sozialdemo­kratische als auch kulturlibe­rale Elemente. Was wird die „neue ÖVP“ideologisc­h anbieten? Wird sich christlich-soziales Gedankengu­t darin finden? Wird die „soziale Marktwirts­chaft“darin vorkommen? Oder wird es ein Programm, das dem der britischen Konservati­ven nacheifert? Wie nahe wird es dem freiheitli­chen Gedankengu­t sein?

Es tut sich ideologisc­h und personell viel.Daher sollten auch Mitglieder­abstimmung­en nicht als Risiko gelten. gerfried.sperl@derStandar­d.at pderStanda­rd. at/Sperl

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria