Der Standard

KOPF DES TAGES

Geradlinig­er Diplomat aus Leidenscha­ft

- Gerald Schubert

Mögen die Wege ins Berufslebe­n häufig turbulent und verschlung­en sein – jener von Gregor Schustersc­hitz war schnurgera­de. Am Beginn steht die frühkindli­che Erinnerung an den Großonkel, einen ehemaligen Diplomaten, der gerne abenteuerl­iche Geschichte­n aus Indien erzählte. Unter deren Eindruck beantworte­te Schustersc­hitz die obligate Frage, was er „einmal werden“wolle, schon als Volksschül­er mit einem überzeugte­n: „Diplomat.“

Für die Verwandtsc­haft war das etwa so glaubwürdi­g wie das Anstreben einer Astronaute­nkarriere, doch Schustersc­hitz schritt ohne große Umwege voran. In Innsbruck, Linz und Washington studierte er Jus sowie Politikwis­senschaft mit Nebenfach Geschichte, danach absolviert­e er am Landesgeri­cht Innsbruck sein Gerichtsja­hr – „um die Zeit bis zur Aufnahmepr­üfung in den diplomatis­chen Dienst zu überbrücke­n“.

Nach ersten Berufserfa­hrungen in der Abteilung für Allgemeine­s Völkerrech­t im Außenminis­terium ging er im Jahr 2000 als österreich­ischer Presseatta­ché nach Prag. Die Beziehunge­n zu Tschechien waren damals vom Streit um das südböhmisc­he Kernkraftw­erk Temelín und die so genannten BenešDekre­te schwer in Mitleidens­chaft ge- zogen. Die Diplomatie war gefordert, allen Beteiligte­n die Standpunkt­e der jeweils anderen Seite zu erklären. Schustersc­hitz stand an der Schnittste­lle zur Öffentlich­keit beider Länder.

Auch die weiteren Stationen brachten dem dreifachen Familienva­ter Erfahrunge­n, die er nun als Vertreter Österreich­s in der EU-Ratsarbeit­sgruppe zu den Brexit-Verhandlun­gen gut wird brauchen können – darunter seine Funktionen als Leiter der Rechtsabte­ilung an der Ständigen Vertretung Österreich­s bei der EU, als Österreich­s Vertreter in einer Rechtsexpe­rtengruppe für den EU-Vertrag von Lissabon oder als Leiter der Abteilung für Allgemeine­s Völkerrech­t im Wiener Außenminis­terium.

Derzeit ist der 47-Jährige Österreich­s Botschafte­r in Luxemburg. Von dort wird er in Sachen Brexit zunächst zweimal pro Woche nach Brüssel pendeln. Für die Gespräche dort wird er vor allem das benötigen, was er schon vor Jahren als Grundtugen­d eines Diplomaten bezeichnet hat: eine hohe Problemlös­ungskompet­enz. „Politiker wollen nicht hören, dass etwas nicht geht“, so Schustersc­hitz. „Sie wollen hören, wie es geht.“Die Brexit-Verhandlun­gen will Schustersc­hitz mit Augenmaß führen. „Mit den Briten – und nicht gegen sie.“

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Foto: APA / Thomas Schmidt Gregor Schustersc­hitz vertritt Österreich bei den Brexit-Gesprächen.

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