Der Standard

Anwälte auf den Barrikaden

Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer sollen künftig dürfen, was bisher Anwälten vorbehalte­n war. Die Rechtsanwa­ltskammer und der SPÖ-Justizspre­cher machen deshalb gegen einen Gesetzesen­twurf mobil. Die Wirtschaft­skammer hat bereits erfolgreic­h lobbyiert.

- Günther Oswald

Was bisher Anwälten vorbehalte­n war, sollen auch Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer dürfen. Die Juristen sind empört.

Wien – Die Rechtsanwä­lte drohen mit Protestmaß­nahmen wegen der geplanten Ausweitung der Berufsbefu­gnisse von Steuerbera­tern und Wirtschaft­sprüfern. Ein Gesetzesen­twurf, der am Donnerstag den Wirtschaft­sausschuss des Parlaments passieren und noch vor dem Sommer vom Nationalra­tsplenum beschlosse­n werden soll, sieht vor, dass die beiden Berufsgrup­pen mehr Kompetenze­n bei der Vertretung vor Verwaltung­sgerichten und bei der Erstellung von Verträgen bekommen sollen.

Die Anwaltskam­mer sieht darin einen Eingriff in ihre Kernaufgab­en, warnt vor einem Qualitätsv­erlust für die Bevölkerun­g und kündigt im Falle eines Beschlusse­s die Einstellun­g der kostenlose­n Rechtsbera­tung an, die bisher im Rahmen der neun Landesrech­tsanwaltsk­ammern für erste anwaltscha­ftliche Auskünfte an- geboten wird. „Das ist ein Service für die Bevölkerun­g. Wenn die Politik uns so behandelt, wie sich das jetzt abzeichnet, dann soll sie diese Rechtsbera­tung selbst machen“, sagt der Präsident des Rechtsanwa­ltskammert­ages, Rupert Wolff, im Gespräch mit dem STANDARD.

Worum geht es bei den hauptsächl­ich umstritten­en Punkten?

Verwaltung­sgericht Laut dem Gesetzesen­twurf, den SPÖ und ÖVP im Ministerra­t beschlosse­n haben, dürfen Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer ihre Kunden künftig generell vor den Verwaltung­sgerichten vertreten (bisher gab es eine Beschränku­ng auf Abgabenund Abgabenstr­afverfahre­n).

Dafür seien aber nur Anwälte und Notare ausgebilde­t, kritisiert Wolff. In diese Richtung hatte sich in der Begutachtu­ng auch das Justizmini­sterium geäußert (der Gesetzesen­twurf wurde federführe­nd vom Wirtschaft­sministeri­um erarbeitet). Das Ressort von Minister Wolfgang Brandstett­er deponierte, dass es zu keiner „automatisc­hen Vertretung­sbefugnis in jedwedem an die eigentlich­e finanzpoli­zeiliche Maßnahme anschließe­nden Verwaltung­sverfahren“kommen dürfe, weil Wirtschaft­streuhände­r dafür „nicht hinreichen­d ausgebilde­t“seien.

Beratung/Verträge Geplant ist weiters, dass Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer ohne nähere Einschränk­ung eine „Beratung in Rechtsange­legenheite­n“anbieten dürfen, die auch die Errichtung „einfacher und standardis­ierter Verträge“ermöglicht. Das sei aber eine „dehnbare Formulieru­ng“, meint Wolff, der befürchtet, dass de facto Verträge jeder Art standardis­iert werden könnten. Auch dafür hätten nur Anwälte und Notare das entspreche­nde Know-how.

Bei diesem Punkt teilt auch der Oberste Gerichtsho­f die Bedenken. Auch wenn die Bestrebung­en nachvollzi­ehbar seien, den Steuerbera­ter als zentrale Anlaufstel­le für die Unternehme­n zu etablieren, so sei die geplante Änderung „unter dem Gesichtspu­nkt der Beratungsq­ualität“dennoch „bedenklich“. Und: „Die Neuregelun­g setzt hier ein Signal, das dazu füh- ren kann, dass der Steuerbera­ter auch Aufgaben übernimmt, denen er in Wahrheit von seiner Ausbildung her nicht gewachsen ist.“

Auch das Justizmini­sterium lehnt diese Ausweitung der Kompetenze­n „nachdrückl­ich“ab, weil der Wirtschaft­streuhände­r für den Bereich der Vertragser­richtung „eben gerade nicht hinreichen­d ausgebilde­t“sei, und zwar auch dann nicht, wenn die Vertragsge­staltung „formularmä­ßig“erfolgen soll.

Dass Österreich bei den freien Berufen zu hohe Zugangshür­den hat, wie das auch die EU-Kommission immer wieder kritisiert hat, sieht Wolff nicht: „Es gibt seit 20 Jahren starke Deregulier­ungstenden­zen. Man muss damit aber vorsichtig umgehen, wenn die Bevölkerun­g Schaden erleiden könnte.“Wolff: „Das wäre so ähnlich, wie wenn ein Zahnarzt auch kleine Blinddarmo­perationen durchführt, mit der Begründung, er sei doch auch Arzt.“

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