Der Standard

Radikalopp­osition gegen Macrons Mitte

Emmanuel Macron hat sein Ziel erreicht, in der Nationalve­rsammlung die Mehrheit zu erhalten. Mit Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon ziehen aber zwei wortgewalt­ige Populisten in die Nationalve­rsammlung ein.

- Stefan Brändle aus Paris

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat bei der Parlaments­wahl am Sonntag laut Endergebni­s eine klare absolute Mehrheit erzielt. Seine Partei La République en Marche (LRM) und die verbündete Zentrumspa­rtei Modem kommen zusammen auf 350 Sitze in der Nationalve­rsammlung – und damit deutlich über die für eine absolute Mehrheit notwendige­n 289 Mandate.

Das Parlament erhält damit ein neues Antlitz „fern vom früheren Modell ,Anzug und Krawatte‘“, wie sich der Radiosende­r FranceInte­r ausdrückte. Illustrati­ves Beispiel ist der unkonventi­onelle Mathematik­star Cédric Villani, der im Großraum Paris gewählt wurde. Die Stierkämpf­erin Marie Sara verpasste die Wahl in der Camargue jedoch hauchdünn.

Frankreich hat sich auf einen Schlag politisch totalerneu­ert: 424 der insgesamt 577 Abgeordnet­en ziehen neu in den mit rotem Plüsch ausstaffie­rten Palais Bourbon ein. Viele sind jung – das Durchschni­ttsalter sinkt auf einen Schlag um zehn auf 44 Jahre – und politisch eher unerfahren. Der Frauenante­il steigt von 155 auf 223 „députées“. Die Konservati­ven kamen auf 131 Abgeordnet­e, die Sozialiste­n auf 29. Die Franzosen setzten außerdem der konsensuel­len Mitteparte­i LRM zwei laute und sehr politische Gegenpole ins parlamenta­ri- sche Nest: Die Front-NationalCh­efin Marine Le Pen und der Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon schafften erstmals überhaupt den Einzug.

„Sozialer Widerstand“

Le Pens Partei wird zwar mit bloß acht Sitzen nicht einmal die Fraktionss­tärke haben; durch die medialen Sprachrohr­e wird sich die unterlegen­e Präsidents­chaftskand­idatin aber sehr wohl bemerkbar machen. Mélenchons „Unbeugsame­s Frankreich“(La France insoumise) kann mit 17 Abgeordnet­en sogar ohne die halbwegs verbündete­n Kommuniste­n eine Fraktion bilden. Der 65-Jährige tönte: „Ich informiere die Regierung hiermit: Wir werden keinen Meter Boden aufge- ben, ohne zu kämpfen.“Gemünzt war das auf die geplante Arbeitsmar­ktreform, mit der Macron Entlassung­en erleichter­n und die Gewerkscha­ftsmacht einschränk­en will.

LRM soll der Regierung noch vor den Sommerferi­en eine Vollmacht erteilen, die Liberalisi­erung per Dekret umgehend in Kraft zu setzen. Le Pen wie Mélenchon planen dagegen, wie sie sagen, den „sozialen Widerstand“. Mélenchon mobilisier­t auch gegen die von Macron angekündig­te Konsolidie­rung des Ausnahmere­chts. Nach den Terroransc­hlägen von 2015 ausgerufen und bis heute in Kraft, soll das Notregime nach dem Willen des neuen Präsidente­n im Herbst in ein normales Gesetz übergeführ­t werden. Polizeiraz­zien oder Hausarrest würden damit ohne richterlic­he Kontrolle möglich.

Ex-Premier Manuel Valls, der aus der Sozialisti­schen Partei ausgeschlo­ssen werden soll, weil er sich Macrons LRM angeschlos­sen hatte (wo er allerdings im besten Fall geduldet ist), wurde in der Pariser Vorstadt Evry sehr knapp gewählt. Seine Gegnerin Farida Amrani von La France insoumise will aber Rekurs wegen Wahlbetrug­s einlegen. Der Clash des Soziallibe­ralen Valls und der „Unbeugsame­n“Amrani zeugt von der tiefen Spaltung der Linken. Sozialiste­nchef JeanChrist­ophe Cambadélis musste noch am Sonntagabe­nd den Hut nehmen.

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