Kritik an Kurz-Konzept fürs Mittelmeer
Auch Doskozil widerspricht Kurz in Details – Syrien-Flüchtling: Ägypten unsicher
Wien – Nachdem sich Außenminister Sebastian Kurz zuversichtlich gezeigt hatte, dass auch andere EUMitgliedsstaaten seinem Plan, Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, zustimmen werden, herrscht diesbezüglich aber nicht einmal in der Koalition Konsens. Kanzler Christian Kern (SPÖ) bekräftigte am Montag seine Kritik an Kurz’ Plänen, die er vergangene Woche als „populistischen Vollholler“bezeichnet hatte. Diese Aussage bereue er „nicht im Geringsten“, sagte Kern, der Kurz aufrief, nicht „Schlagzeilen zu produzieren“, sondern „Lösungen zu suchen“.
Kurz hingegen, der am Montag beim Außenministergipfel in Luxemburg weilte, sah sich dort zumindest vom ungarischen Amtskollegen Péter Szijjártó bestätigt. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel widersprach aber offen. Man könne nicht Menschen nach Libyen, „wo Menschenschlepper die Herrschaft über solche Flüchtlingslager haben“, zurückbringen.
Kurz glaubt sich mit seinem Konzept im Einvernehmen mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Doch der widerspricht Kurz in zwei Punkten. Anders als Kurz will der Verteidigungsminister Asylanträge in den nordafrikanischen Aufnahme- zentren sehr wohl zulassen. Asylverfahren sollen vor Ort „nach Menschenrechtsstandards durchgeführt werden“, heißt es auf Anfrage des STANDARD.
Der Minister widerspricht Kurz auch insofern, als von einer „Schließung der Balkanroute“keine Rede sein könne. „Fakt ist auch, dass die Balkanroute nicht gänzlich geschlossen ist, sondern die Migration gedämpft wurde“, so Doskozil. Auch die Mittelmeerroute „wird man nicht gänzlich schließen können“.
Es gibt noch weitere Fragen, die nach dem Vorlegen der Kurz’schen Mittelmeer-Pläne offenbleiben. So blieb Kurz bisher eine Antwort schuldig, wie das „attraktive Angebot“aussehen könnte, das Ägypten oder Tunesien bewegen könnte, der Errichtung von Aufnahmezentren auf ihrem Territorium zuzustimmen. Offen ist auch, weshalb jene EULänder, die bisher kaum Flüchtlinge aufgenommen haben, künftig einem großangelegten Resettlementplan zustimmen sollten. Kurz hatte ja betont, dass Flüchtlinge künftig verstärkt legal nach Europa geholt werden sollen. Kurz’ Sprecher war für den STANDARD bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.
Ägypten nicht sicher
Kritik an der Haltung, dass Ägypten für Flüchtlinge ein sicheres Land sei, übt indes der in Österreich lebende syrische Journalist und Oppositionsaktivist Thaer al-Nashef gegenüber dem STANDARD. So seien zumindest die Gegner des syrischen Machthabers Bashar Al-Assad in Ägypten seit der Machtübernahme von Präsident Abdelfattah al-Sisi in Gefahr. Zahlreiche syrische Oppositionelle, die teilweise schon lange im Land waren, seien aus Ägypten abgeschoben worden, manche sogar zurück nach Syrien und in den Tod, sagt al-Nashef, der im Jahr 2015 aus Ägypten in die Türkei geflüchtet und über die Balkanroute nach Österreich gekommen ist.