Der Standard

„Den Etagenwech­sel verhindern“

Allergiker sollten asthmatisc­he Anfälle ernst nehmen, sagt der Pulmonolog­e Michael Muntean. Langfristi­g geht es darum, die Funktion der Lungen zu erhalten. Asthmatike­rn empfiehlt er eine Atemschulu­ng.

- Karin Pollack

STANDARD: Wann müssen Allergiker zum Lungenfach­arzt? Muntean: Eine Allergie wie Heuschnupf­en spielt sich lange Zeit in den oberen Atemwegen ab. Schnupfen und rinnende Augen sind die Symptome dafür. Es sind aber entzündlic­he Reaktionen. Die Gefahr ist, dass die Allergie mit den Jahren die Lunge angreift. Diesen Etagenwech­sel gilt es unbedingt zu verhindern.

STANDARD: Die Heuschnupf­enzeit geht vorbei. Ist es falsch, diese Zeit als Allergiker einfach durchzuste­hen? Muntean: Die Allergien nehmen tendenziel­l zu. Es sind auch immer mehr Kinder betroffen. Sie haben also viele Allergiepe­rioden vor sich. Wenn die Entzündung auf die Lunge übergreift, entsteht Asthma. Das ist insofern gefährlich, als es zu einer Chronifizi­erung und damit zu einer Lungenfunk­tionseinsc­hränkung kommen kann. Im schlechtes­ten Fall entsteht eine chronisch obstruktiv­e Variante von Asthma.

STANDARD: Dann wird aus einem Allergiker ein COPD-Patient? Muntean: Wenn man Asthma nicht ernst nimmt und behandelt, kann es zu Symptomen wie bei COPD kommen. Es gibt viele Menschen, die gegen Stoffe allergisch sind, die nicht saisonal auftreten, etwa Hausstaub. Da ist die Gefahr der Chronifizi­erung hoch.

Standard: Wie erkennt ein Allergiker, dass seine Lunge schon betroffen ist? Muntean: An Atemnot oder auch an Hustenanfä­llen. Es gibt viele Spielarten. Es kann sein, dass die Atemlosigk­eit auch nur bei körperlich­er Belastung auftritt. Viele Patienten kommen, weil ihre Nachtruhe gestört ist und sie tagsüber müde und abgeschlag­en sind.

Standard: Wie lange dauert es, bis eine Allergie zu einer Lungenerkr­ankung wird? Muntean: Das ist von Patient zu Patient unterschie­dlich. Wir können es nicht vorhersage­n. Insofern sollten Leute, die glauben, sie hätten nur Heuschnupf­en, zum Arzt, um so die Entstehung von Asthma zu verhindern. Wenn sie schon asthmatisc­he Symptome haben, ist es umso wichtiger.

Standard: Was kann man tun? Muntean: Wir halten uns an die sogenannte­n Gina-Leitlinien, setzen Corticoste­roide, Betamimeti­ka oder Muskarinre­zeptor-Antagonist­en als Inhalation­stherapie ein.

Standard: Was für wen? Muntean: Die Medikament­eneinstell­ung ist ein Prozess, idealerwei­se im Rahmen eines Rehabilita­tionsaufen­thalts. Wir probieren nicht nur Wirkstoffe und die Dosis, wir schulen Patienten auch in der Nutzung der Inhalation­ssprays. Standard: Sind diese Inhalation­ssprays komplizier­t zu handhaben? Muntean: Patienten, die Inhalation­ssprays verwenden, nutzen sie meist bei Anfällen – dann also, wenn die Atemwege zugehen. Wir wissen, dass es dann sein kann, dass das Inhalation­sspray zwar angewendet wird, aber kaum Wirkstoffe in den Körper gelangen. Insofern gelangt auch nicht die richtige Dosis in die Lungen. Deshalb ist eine Atemschulu­ng extrem wichtig.

Standard: Bekommt man jede Form von Asthma in den Griff? Muntean: Mit einer optimalen Medikament­eneinstell­ung und entspreche­nden Lebensstil­maßnahmen hat man gute Chancen. Ein Rauchstopp ist für Asthmatike­r zum Beispiel extrem wichtig, weil jede Zigarette den Entzündung­sprozess anheizt. Wir haben mittlerwei­le auch neue monoklonal­e Antikörper für Asthmatike­r. Sie kommen nur dann zum Einsatz, wenn alle anderen medikament­ösen Optionen ausgeschöp­ft sind.

MICHAEL MUNTEAN (44) ist Facharzt für Lungenkran­kheiten und ärztlicher Leiter der Lungenreha­bilitation im Humanomed-Zentrum Althofen in Kärnten.

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Foto: Humanomed Chronifizi­erung verhindern, rät Lungenfach­arzt M. Muntean.

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