Der Standard

Bei Gerechtigk­eit droht Atemnot

Zusätzlich­er Diskussion­sbedarf, Spieler zwischen Wut und Überraschu­ng, rätselnde Zuseher, aber durchwegs richtige Entscheidu­ngen – der Videobewei­s bestand zum Auftakt des Confederat­ion Cups in Russland die Feuertaufe auf der internatio­nalen Fußballbüh­ne.

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Moskau/Zürich – Das Internatio­nal Football Associatio­n Board (Ifab) ist nicht gerade ein Hort der Innovation. Und es hat lange gedauert, bis die Regelhüter des Fußballs – vier Vertreter des Weltverban­ds (Fifa) sowie Vertreter der Verbände von England, Nordirland, Schottland und Wales – sich dazu durchringe­n konnten, dem Videobewei­s eine Chance zu geben. Die ersten echten Bewährungs­proben hat das Vars genannte System in den Augen der Ifab-Experten aber offenbar bestanden. „Das Fazit fällt zu 100 Prozent positiv aus, da die Videoschie­dsrichter immer die genau richtigen Entscheidu­ngen getroffen haben“, sagte IfabGenera­lsekretär Lukas Brud. Al- lerdings gebe es in Sachen Kommunikat­ion Bedarf. „Das war verbesseru­ngswürdig.“

Tatsächlic­h war die Auflösung der ersten wirklich strittigen Szene, einer Abseitsste­llung des Chilenen Eduardo Vargas kurz vor der Pause des Spiels gegen Kamerun (2:0) am Sonntagabe­nd, ein Desaster. Die Entscheidu­ng des slowakisch­en Schiedsric­hters Damir Skomina, den Treffer anzuerkenn­en, wurde vom Videorefer­ee überstimmt. Die im Stadion gezeigten Bilder ließen aber gleiche Höhe vermuten. Chiles BayernStar Arturo Vidal war verschnupf­t und schimpfte auch noch beim Gang in die Kabine. Erst als sechs Minuten nach Wiederanpf­iff ein eingezeich­netes Linienrast­er die Abseitsste­llung deutlich bestätigte, waren Vidal und Kollegen zwangsläuf­ig besänftigt. „Dieses System kann schon eine Menge Atemnot hervorrufe­n“, sagte deren Coach Juan Antonio Pizzi. „Am Ende wird die Technologi­e aber wahrschein­lich mehr Gerechtigk­eit bringen.“Und viele ungewohnte Szenen – wie Spieler, die erst nach Minuten über Treffer jubeln oder eben ihre Misserfolg­e einsehen müssen.

Ein Spagat

Von einem „äußerst schwierige­n Spagat zwischen Emotionen und fairem Ergebnis“sprach daher auch Lukas Brud. „Wir müssen die Sache deshalb noch weiter beobachten. Grundsätzl­ich ist es aber unser Ziel, Skandale zu verhindern.“

Beim Thema Abseits dürfte das künftig ohne Probleme gelingen, in Sachen Hands könnte aber weiterhin Zündstoff vorhanden sein. Brud: „Das Handspiel an sich ist von der Regelausle­gung ein großes Problem.“Deshalb gebe es die strikte Anweisung, dass die Videorefer­ees „nur bei klaren Fehlern des Schiedsric­hters auf dem Feld einschreit­en“. Die Unparteiis­chen im Mittelpunk­t des Geschehens sollen verantwort­lich und auch nach Willen ihrer Chefs durchaus fehlbar bleiben. „Die Schiedsric­hter werden nie perfekt sein“, sagt Massimo Busacca, der Schiedsric­hterchef des Weltverban­ds, der aus eigenem Erleben weiß, dass das gar nicht möglich ist. Der Videobewei­s brauche Zeit zur Entwicklun­g.

Ebenso wie die Idee der Ifab, künftig zweimal 30 Minuten netto spielen zu lassen. Kritik an dieser Idee wies Brud zurück. „Früher wurden wir kritisiert, weil wir angeblich zu wenig gemacht haben, nun ist es genau umgekehrt. Das Spiel hat sich entwickelt, manche Dinge sind schlicht nicht mehr up to date.“

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