Der Standard

Brexit-Beginn in Brüssel

In Brüssel haben die Verhandlun­gen über den Austritt Großbritan­niens aus der EU begonnen. Bei guter Stimmung wurden Zeitpläne und Abläufe abgestimmt. Dem Brexit soll ab März 2019 eine enge Beziehung folgen.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Die eigene nationale Fahne macht es deutlich: Der Abschied Großbritan­niens aus der EU hat begonnen. Am Montag saßen erstmals die Chefunterh­ändler beider Seiten an einem Tisch, um den Brexit zu verhandeln. Nach Angaben aus dem EU-Verhandlun­gsteam hat London keinen neuen Vorschlag unterbreit­et, wie die Rechte der EU-Bürger im Vereinigte­n Königreich garantiert werden sollen.

Die Stimmung war nicht schlecht, der Umgang mit den Streitthem­en sachlich, der Tonfall der Hauptakteu­re sogar richtiggeh­end freundlich. Unter diesen Umständen begann am Montag in Brüssel die erste Runde der Verhandlun­gen zum EU-Austritt Großbritan­niens. Die Delegation­en beider Seiten trafen einander zu einem ersten Abtasten, in Form eines Arbeitsess­ens, mehrerer Arbeitsgru­ppen und einer Koordinato­rensitzung.

Es war dies für die Union eine Premiere. Sieht man vom Sonderfall Grönland (als Teil Dänemarks) ab, hat noch nie ein Mitgliedsl­and die EU verlassen. Die Briten hatten vor fast genau einem Jahr knapp für den Brexit gestimmt.

„Es gibt mehr, was uns verbindet, als was uns trennt“, sagte der für den Brexit zuständige britische Minister David Davis zum Auftakt in der EU-Kommission. London strebe eine „neue tiefe besondere Partnersch­aft“an, behauptete er, ohne die Turbulenze­n in London nach der Wahlnieder­lage seiner Premiermin­isterin Theresa May zu erwähnen.

Im trauten textilen Paarlauf mit Davis – blaues Sakko, lila Krawatte, schwarze Schuhe – lieferte der Chefverhan­dler der EU-27, Michel Barnier, den Beweis dafür ab, dass die Union und er ganz persönlich sich für dieses Ziel bestmöglic­h vorbereite­t haben: Der Franzose sprach Englisch, seit sei- ner Ernennung im vergangene­n Sommer hörbar verbessert. Es werde zunächst vor allem um das Abstimmen von Zeitplänen, Abläufen, Prioritäte­n gehen. Sein Ziel sei es, den Staats- und Regierungs­chefs der EU-27 beim EUGipfel ab Donnerstag einen ersten positiven Bericht abzuliefer­n, erklärte Barnier.

Dass das ohne Pannen gelingen würde, stand von vornherein fest. May hat im Moment mit Hoch- hausbrand und Terror andere Sorgen. London hatte sich im Vorfeld bereit erklärt, die von den Staatsund Regierungs­chefs der EU-27 vorgegeben­e Linie der Prioritäte­n bei den Gesprächen vorerst zu akzeptiere­n, ohne selber sofort Bedingunge­n zu stellen. Demnach solle als Erstes die Sicherstel­lung der Rechte jener rund 4,3 Millionen EU-Bürger (Briten und Nichtbrite­n) angegangen werden, die im Zuge der offenen Grenzen und des Binnenmark­tes in ein anderes EU-Land gezogen sind, um dort zu arbeiten, zu studieren oder die Pension zu genießen.

Als Grundforme­l soll mindestens gelten, dass jeder seine Rechte behält, wenn er bereits vor dem EU-Austrittsa­ntrag Großbritan­niens im Gastland war. Die EU will noch mehr, Gültigkeit für alle, die vor dem Austrittsd­atum des Königreich­s im März 2019 zuwandern. Alles soll umgekehrt natürlich auch für eine Million Briten so laufen, die auf dem Kontinent leben und arbeiten.

Davis hielt sich mit einem Angebot dazu zunächst zurück. Die Rechte der EU-Bürger sind für ihn ein wichtiges Unterpfand für andere „große“Fragen: wie man mit der künftigen EU-Außengrenz­e zu Irland umgeht, wie mit finanziell­en Verpflicht­ungen im hohen zweistelli­gen Milliarden­bereich.

Tür bleibt für London offen

Darüber und über vieles mehr wird nun im Abstand von vier Wochen gerungen werden, thematisch in fünf Arbeitsgru­ppen: Strategie, Wettbewerb­sfragen, Binnenmark­t, Zahlungsve­rpflichtun­gen, Handelsfra­gen. Für Ende des Jahres hofft man auf erste Ergebnisse. Dann könnte gemäß Mandat der Regierungs­chefs und parallel zum Austrittsp­rozess schon über den möglichen Nachfolgev­ertrag und die künftigen Handelsbez­iehungen gesprochen werden.

Zeitgleich mit den Brexit-Gesprächen in Brüssel trafen einander die EU-Außenminis­ter in Luxemburg. Tenor der EU-27 dort: Man hoffe auf einen „weichen Brexit“, Großbritan­nien solle möglichst im Binnenmark­t bleiben, sagte der Luxemburge­r Jean Asselborn. Sein deutscher Kollege Sigmar Gabriel wünschte sich, dass die Briten im Binnenmark­t bleiben und Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit erlauben. Die Tür für London bleibe offen, betont auch die Regierung in Paris.

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 ??  ?? Freundlich, äußerlich beinahe harmonisch, haben die Chefverhan­dler David Davis (li.) und Michel Barnier die Brexit-Gespräche begonnen.
Freundlich, äußerlich beinahe harmonisch, haben die Chefverhan­dler David Davis (li.) und Michel Barnier die Brexit-Gespräche begonnen.

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