Brexit-Beginn in Brüssel
In Brüssel haben die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU begonnen. Bei guter Stimmung wurden Zeitpläne und Abläufe abgestimmt. Dem Brexit soll ab März 2019 eine enge Beziehung folgen.
Die eigene nationale Fahne macht es deutlich: Der Abschied Großbritanniens aus der EU hat begonnen. Am Montag saßen erstmals die Chefunterhändler beider Seiten an einem Tisch, um den Brexit zu verhandeln. Nach Angaben aus dem EU-Verhandlungsteam hat London keinen neuen Vorschlag unterbreitet, wie die Rechte der EU-Bürger im Vereinigten Königreich garantiert werden sollen.
Die Stimmung war nicht schlecht, der Umgang mit den Streitthemen sachlich, der Tonfall der Hauptakteure sogar richtiggehend freundlich. Unter diesen Umständen begann am Montag in Brüssel die erste Runde der Verhandlungen zum EU-Austritt Großbritanniens. Die Delegationen beider Seiten trafen einander zu einem ersten Abtasten, in Form eines Arbeitsessens, mehrerer Arbeitsgruppen und einer Koordinatorensitzung.
Es war dies für die Union eine Premiere. Sieht man vom Sonderfall Grönland (als Teil Dänemarks) ab, hat noch nie ein Mitgliedsland die EU verlassen. Die Briten hatten vor fast genau einem Jahr knapp für den Brexit gestimmt.
„Es gibt mehr, was uns verbindet, als was uns trennt“, sagte der für den Brexit zuständige britische Minister David Davis zum Auftakt in der EU-Kommission. London strebe eine „neue tiefe besondere Partnerschaft“an, behauptete er, ohne die Turbulenzen in London nach der Wahlniederlage seiner Premierministerin Theresa May zu erwähnen.
Im trauten textilen Paarlauf mit Davis – blaues Sakko, lila Krawatte, schwarze Schuhe – lieferte der Chefverhandler der EU-27, Michel Barnier, den Beweis dafür ab, dass die Union und er ganz persönlich sich für dieses Ziel bestmöglich vorbereitet haben: Der Franzose sprach Englisch, seit sei- ner Ernennung im vergangenen Sommer hörbar verbessert. Es werde zunächst vor allem um das Abstimmen von Zeitplänen, Abläufen, Prioritäten gehen. Sein Ziel sei es, den Staats- und Regierungschefs der EU-27 beim EUGipfel ab Donnerstag einen ersten positiven Bericht abzuliefern, erklärte Barnier.
Dass das ohne Pannen gelingen würde, stand von vornherein fest. May hat im Moment mit Hoch- hausbrand und Terror andere Sorgen. London hatte sich im Vorfeld bereit erklärt, die von den Staatsund Regierungschefs der EU-27 vorgegebene Linie der Prioritäten bei den Gesprächen vorerst zu akzeptieren, ohne selber sofort Bedingungen zu stellen. Demnach solle als Erstes die Sicherstellung der Rechte jener rund 4,3 Millionen EU-Bürger (Briten und Nichtbriten) angegangen werden, die im Zuge der offenen Grenzen und des Binnenmarktes in ein anderes EU-Land gezogen sind, um dort zu arbeiten, zu studieren oder die Pension zu genießen.
Als Grundformel soll mindestens gelten, dass jeder seine Rechte behält, wenn er bereits vor dem EU-Austrittsantrag Großbritanniens im Gastland war. Die EU will noch mehr, Gültigkeit für alle, die vor dem Austrittsdatum des Königreichs im März 2019 zuwandern. Alles soll umgekehrt natürlich auch für eine Million Briten so laufen, die auf dem Kontinent leben und arbeiten.
Davis hielt sich mit einem Angebot dazu zunächst zurück. Die Rechte der EU-Bürger sind für ihn ein wichtiges Unterpfand für andere „große“Fragen: wie man mit der künftigen EU-Außengrenze zu Irland umgeht, wie mit finanziellen Verpflichtungen im hohen zweistelligen Milliardenbereich.
Tür bleibt für London offen
Darüber und über vieles mehr wird nun im Abstand von vier Wochen gerungen werden, thematisch in fünf Arbeitsgruppen: Strategie, Wettbewerbsfragen, Binnenmarkt, Zahlungsverpflichtungen, Handelsfragen. Für Ende des Jahres hofft man auf erste Ergebnisse. Dann könnte gemäß Mandat der Regierungschefs und parallel zum Austrittsprozess schon über den möglichen Nachfolgevertrag und die künftigen Handelsbeziehungen gesprochen werden.
Zeitgleich mit den Brexit-Gesprächen in Brüssel trafen einander die EU-Außenminister in Luxemburg. Tenor der EU-27 dort: Man hoffe auf einen „weichen Brexit“, Großbritannien solle möglichst im Binnenmarkt bleiben, sagte der Luxemburger Jean Asselborn. Sein deutscher Kollege Sigmar Gabriel wünschte sich, dass die Briten im Binnenmarkt bleiben und Arbeitnehmerfreizügigkeit erlauben. Die Tür für London bleibe offen, betont auch die Regierung in Paris.