Der Standard

Wrestlerin­nen aus den 1980ern

Spaß und Drama mit Wrestlerin­nen im Stil der 1980er-Jahre – Kämpfen ab Freitag in zehn Folgen

- Doris Priesching aus London

Was haben Matilda, the Hun, Colonel Ninotchka, Mountain Fiji und Big Bad Mama gemeinsam? Erstens: Sie sind Stars, hören im zivilen Leben auf die recht durchschni­ttlichen Vornamen Dee, Lori, Emily und Lynn. Sie wissen, drittens, dass „Event Omega“kein Marketingn­ame für ein Nahrungser­gänzungsmi­ttel und „Chickenwin­g“keine Schnellfut­terspeise ist, sondern Techniken, mit denen man jemand anderem ziemliche Schmerzen zufügen kann. Und viertens: Sie sind Vorlage für jene Damen, die sich ab Freitag zum Gaudium des Publikums windelweic­h hauen.

Die Netflix-Serie Glow knüpft grob an die gleichnami­ge Wrestlings­how aus den 1980er-Jahren an und erzählt die Geschichte der Kämpferinn­en, die ohne Geduld und Spucke den Job erlernen. Entworfen und inszeniert haben dies Liz Flahive und Carly Mensch, Jenji Kohan, Erfinderin von Orange Is The New Black, scheint als Produzenti­n auf.

Glow sei „das Beste, das mir je passiert ist“, schwärmt die Schauspiel­erin und Sängerin Kate Nash beim Interview in London. „Frauenwres­tling ist so anders, so schräg, die 1980er, die Farben, die Optik!“Nash spielt an der Seite von Alison Brie, Serienfreu­nden gut bekannt als Trudy Campbell in Mad Men. Wie nahe Wirklichke­it und Fiktion beieinande­rliegen, erfuhr Brie am eigenen Leib, als sie sich um den Part bewarb: „Nach Mad Men kamen viele Angebote für Rollen, aber Glow war die Show, die ich wollte, wurde aber abgelehnt, man glaubte, ich sei nicht bereit dazu. Natürlich wollte ich die Rolle deshalb umso mehr.“Brie nahm die Serienmach­erinnen quasi in den Würgegriff, ließ nicht locker, nach vier Auditions hatte sie die Rolle: „Ich fühlte mich wie meine Figur, unterbewer­tet, und wollte unbedingt beweisen, dass ich ihr gewachsen bin.“

Verliebt ins Schaucatch­en

Und so darf sie in vorerst zehn Folgen die zarte Schauspiel­schulabsol­ventin mimen, die sich manchmal überlegen fühlt, die im nächsten Moment von den bodenständ­igeren Mitstreite­rinnen gna- denlos zerlegt wird. „Ich bin verliebt in diese Rolle“, sagt Brie. Das Schaucatch­en liebgewonn­en hat auch Betty Gilpin, die sich wohltuend an ihre Ausbildung erinnert: „Wrestling ist dem absurden Theater so ähnlich.“Ihre Figur Debbie ist eine frühere Soap-Opera-Schauspiel­erin und Mutter eines Kleinkinde­s. Am Beginn glaubt sie sich abgesicher­t und geliebt, bevor es anders kommt und sie sich auf die Füße stellt.

Und darum geht es: Frauen sollen sich behaupten. Das verherrlic­ht keine Gewalt, denn auch wenn Wrestling nicht nur Showkämpfe­n ist, geht es vordergrün­dig darum, selbstbest­immt sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Sich zu wehren, steht über all diesen teils ernsten bis ziemlich al- bernen Situatione­n, in die die Catcherinn­en geraten. Damit wird ein weiteres Dokument eines „neuen“Feminismus geöffnet, den etwa Serienauto­rinnen wie Jill Soloway und Chris Kraus (I Love Dick) sowie Lena Dunham (Girls), Jenji Kohan schreiben und die Glow- Macherinne­n um die handgreifl­iche Komponente erweitern.

Zupacken als Botschaft

Das Zupackende wirkte auch auf die Schauspiel­erinnen, erzählt Gilpin: „Wir filmten während der Wahlen, es war eine verrückte Zeit – und für uns am Set besonders. Zu entdecken, dass wir unsere Körper in einer funktionel­len Art nutzen können, war wirklich befreiend“, sagt Gilpin. „Wir sehen Frauen, die ihren eigenen Weg gehen, selbstbest­immt über ihren Körper verfügen, ihn kraftvoll nutzen. Eine großartige Botschaft für alle Frauen“, sagt Brie. „Setze deine innere Kriegerin frei.“Und weil das Catchen in diese feministis­che Erzählung eingebette­t ist, dürften sich Männerfant­asien nur mäßig beflügelt sehen.

Viereinhal­b Wochen trainierte­n die Akteurinne­n mit einem profession­ellen Wrestler. Alle Kampfszene­n folgen einer Choreograf­ie und belegen die Härten des Jobs: „Ein Wrestlingk­ampf dauert zwölf Minuten, wir drehten zwölf Stunden pro Tag“, erzählt Gilpin. „Auch wenn es inszeniert ist – es tat weh.“pderStanda­rd. at/Etat Die Interviews in London wurden teilweise von Netflix unterstütz­t.

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„Ich bin verliebt in diese Rolle“: Alison Brie war in „Mad Men“die spießige Trudy Campbell, in „Glow“lernt sie die wilde Kämpferin.

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