Der Standard

„Die Grillini haben nur treffende Slogans“

Der Politologe Renato Mannheimer über die Fünf-Sterne-Bewegung, die trotz guten sozialen Marketings bei den Kommunalwa­hlen abstürzte.

- INTERVIEW: Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand Foto: Imago

Standard: Bei den jüngsten Kommunalwa­hlen hat die Fünf-SterneBewe­gung (M5S) von Beppe Grillo überrasche­nd schlecht abgeschnit­ten. Bedeutet dies, dass der Höhepunkt der Bewegung vorbei ist? Mannheimer: Nein. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat bei lokalen Wahlen seit jeher schlechter abgeschnit­ten. Die Grillini sind auf lokaler Ebene schwach aufgestell­t.

Standard: Erwarten Sie auf nationaler Ebene ein besseres Ergebnis? Mannheimer: Die Bewegung profitiert vom starken Protest im Lande.

Standard: Wer sind die Wähler der Grillini? Mannheimer: Vorwiegend handelt es sich um die jüngeren, im mittleren sozialen Segment angesiedel­ten Wähler. In der Fünf-Sterne-Bewegung beherrscht man soziales Marketing meisterhaf­t und schafft es, jeweils im richtigen Augenblick das richtige Thema zu bringen.

Standard: Zum Beispiel? Mannheimer: Der jüngste Protest gegen Einwandere­r, gegen das Ius soli, kam zur rechten Zeit.

Standard: Erwarten Sie eine Liaison der M5S mit der populistis­chen Lega Nord? Dies steht angeblich zur Diskussion. Mannheimer: Ich kann mir eine solche Liaison nicht vorstellen. Denn die Hälfte der Protestwäh­ler stammt aus dem linken Lager.

Standard: M5S hat des Öfteren ihre Abneigung zum vereinten Europa ausgesproc­hen. Erwarten Sie sich hier eine Trendwende? Mannheimer: In ganz Europa, in Frankreich, Österreich, den Niederland­en, haben die Europa-Geg- ner an Tritt verloren. Auch in Italien wird es so kommen. Grillo ist mit seinem Europa-Protest sehr wankelmüti­g. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich im Fahrwasser der neuen EuropaFreu­ndlichkeit wieder zu Europa bekennt. Doch die Italiener sind gegen den Euro. Und die Abschaffun­g des Euro ist ein Schlüsselp­unkt im Programm der Grillini.

Standard: Die M5S ist derzeit in Umfragen knapp stärkste Partei Italiens. Ist sie Ihrer Ansicht nach überhaupt regierungs­fähig? Mannheimer: Keineswegs. Die Grillini haben kein Programm, sie haben nur treffende Slogans. Und vor allem haben sie keine entspreche­nd ausgebilde­ten Personen, um eine Regierung zu bilden.

Standard: Wann rechnen Sie mit Parlaments­wahlen? Mannheimer: Die Legislatur­periode läuft im Frühjahr 2018 aus. Nach heutigem Stand werden Wahlen wohl erst im Februar oder März 2018 stattfinde­n.

RENATO MANNHEIMER (70) wird als „Vater“der Meinungsfo­rschung in Italien bezeichnet. Er leitet das Institut ISPO.

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