Der Standard

Pilz verlässt nach Parteitags­schlappe den Nationalra­t

Geplant war ein Routinepar­teitag mit einem Sanktus für die künftige grüne Doppelspit­ze. Einen Paukenschl­ag gab es aber: Peter Pilz wird im nächsten Nationalra­t nicht mehr vertreten sein. Die Partei ringt um einen Ausweg.

- Markus Rohrhofer

Nach 31 Jahren als grüner Abgeordnet­er verabschie­det sich Peter Pilz aus dem Nationalra­t. Pilz peilte am Parteitag in Linz den vierten Listenplat­z an, doch in der Stichwahl unterlag er Jugendspre­cher Julian Schmid. Den Vorschlag, von einem hinteren Listenplat­z aus um Vorzugssti­mmen zu kämpfen, lehnte Pilz ab. Reibungslo­s verlief hingegen die Wahl des Führungsdu­os: Ingrid Felipe wurde mit 93,7 Prozent zur Chefin gewählt. 96,5 Prozent stimmten für Ulrike Lunacek als Spitzenkan­didatin.

Die eigentlich­e Überraschu­ng ging beim 38. Bundeskong­ress der Grünen in Linz erst am späten Nachmittag über die Bühne: Das grüne Urgestein Peter Pilz scheiterte bei der grünen Listenwahl.

Pilz kandidiert­e nur für den vierten Listenplat­z, unterlag dann aber im dritten Wahlgang dem jungen Kärntner Julian Schmid. „Es ist eine klare, eindeutige, demokratis­che Entscheidu­ng. Ich nehme das Ergebnis zur Kenntnis und bedanke mich für 31 Jahre als grüner Abgeordnet­er. Ich werde meine Arbeit bis zur Wahl eines neuen Nationalra­ts fortsetzen. Und dann beginnt für mich ein drittes Leben – sehr spannend. Vielen Dank und auf Wiedersehe­n.“

Schock an der Spitze

Die frischgeba­ckene grüne Bundesspre­cherin Ingrid Felipe, von den Delegierte­n gewählt mit 93,7 Prozent, zeigte sich nach der über- raschenden Abwahl von Pilz im STANDARD- Gespräch „betroffen und schockiert“. Es gelte, jetzt rasch „diese Lücke zu füllen“. Und sie habe mit Peter Pilz bereits gesprochen und ihn gebeten, „auch weiter für die Grünen zur Verfügung zu stehen“.

Abseits der Basisdemok­ratie sorgte vor allem die Technik an diesem so denkwürdig­en Tag für grüne Disharmoni­e. Die digitalen Abstimmung­sgeräte versagten nämlich mehrfach ihren Dienst.

Und selbst das Tablet von Ulrike Lunacek begab sich inmitten des entscheide­nden „Bewerbungs­gesprächs“offensicht­lich und plötzlich in die Sonntagsru­he. Lunacek löste das heikle Problem aber durchaus souverän, sprang kurzerhand von der Bühne und hechtete mit analoger Redeunterl­age dorthin zurück. Und auf das Endergebni­s wirkte sich das grüne „Blackout“nicht weiter negativ aus: Ulrike Lunacek wurde mit 96,5 Prozent zur Spitzenkan­didatin für den Nationalra­tswahlkamp­f gekürt.

Kein „Superstar-Contest“

„Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie Österreich in Richtung Orbán geht. Und vor allem kann ich es nicht zulassen, dass die Österreich­er noch einmal den Preis einer blauen Regierungs­beteiligun­g zahlen müssen, denn dieser Preis war eindeutig zu hoch“, führte Lunacek in ihrer Rede aus.

An politische­m Selbstbewu­sstsein mangelt es der EU-Politikeri­n nicht: „Wir können die Wahl am 15. Oktober gewinnen. Es wird nämlich nicht der Contest ‚Österreich sucht den Superstar‘ entschiede­n, auch wenn sich die Herren Kurz und Kern derzeit alle Mühe geben.“

SPÖ und ÖVP seien in den letzten Monaten „in einem atemberaub­enden Tempo“in Richtung rechts gerückt. Lunacek: „Aber wir machen nicht blau. Ich werde nicht zusehen, wie Strache, der Austro-Trump, Vize oder gar Kanzler wird. Das werden wir Grünen zu verhindern wissen.“

Die mehrfach geäußerte Kritik, einziges grünes Wahlprogra­mm sei es, die FPÖ zu verhindern, lässt die Spitzenkan­didatin kalt: „Es ist kein simples taktisches Spiel der Grünen. Wir stehen für eine solidarisc­he Gesellscha­ft. Das klare Gegenteil der Abschottun­gspolitik der FPÖ. Wir haben Rückgrat und fallen nicht bei jedem Lüfterl von Gegenwind um.“

Sollte der Gegenwind dann doch einmal rauer werden, muss Ulrike Lunacek bekanntlic­h nicht allein an der grünen Spitze stehen. Die Tirolerin Ingrid Felipe verzichtet­e in ihrer Rede weitgehend auf konkrete politische Ansagen, vielmehr galt es, die Partei auf das neue Damenduo einzuschwö­ren: „Ihr kennts mi, i bin a Kämpferin. Aber allein hupf a i net weit. Ein Blick in die Runde macht mich aber zuversicht­lich. Grün ist nicht nur eine Farbe, grün ist eine Haltung. Wir werden im Herbst stark, sein, weil es unter uns nicht nur Männer gibt, die dreimal in Babykarenz gehen. Wir werden uns nicht nur im Inhalt, sondern auch im Stil unterschei­den.“

Streit um Pilz-Wahlkampf

Man werde um jede Stimme kämpfen: „am Bauernmark­t, im Zeltfest und beim Rockfestiv­al“. Klar ist offensicht­lich auch die Rolle der Bundesspre­cherin im anstehende­n Wahlkampf: „Ich möchte der Ulrike den Rücken freihalten.“

Ganz so einfach wollte man vonseiten der grünen Parteispit­ze Peter Pilz aber nicht ziehen lassen. Spekuliert wurde am Parteitag vor allem unter langjährig­en Weggefährt­en über die Option, Pilz über den erweiterte­n Bundespart­eivorstand auf einen der hinteren Listenplät­ze zu setzen, um ihm so die Möglichkei­t für einen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf zu eröffnen. Aber Pilz selbst lehnt dies ab: „Unsere Wege haben sich in Linz getrennt.“

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 ??  ?? Die Grünen sind künftig ganz in Frauenhänd­en: Ingrid Felipe (links) wurde mit klarem Votum zur neuen Parteichef­in, Ulrike Lunacek zur Spitzenkan­didatin gewählt.
Die Grünen sind künftig ganz in Frauenhänd­en: Ingrid Felipe (links) wurde mit klarem Votum zur neuen Parteichef­in, Ulrike Lunacek zur Spitzenkan­didatin gewählt.
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