60 englische Hochhäuser mit Brandgefahr
Gebäude mit bedenklichen Fassaden geprüft – Massenevakuierungen in London
London – Vom Brand des Grenfell Tower mit mindestens 79 Toten zum landesweiten Skandal: Experten entdecken bei Inspektionen von Hochhäusern in Großbritannien immer mehr Gebäude mit gravierenden Brandschutzmängeln. Einige im Londoner Stadtteil Camden sind sogar so gefährlich, dass etwa 4000 Bewohner sofort in Sicherheit gebracht wurden.
Klar ist: Zahlreiche Briten leben in Feuerfallen. Fachleute untersuchten bis Sonntag dutzende Hochhäuser mit potenziell riskanten Fassaden. Das Ergebnis: Bereits bei 60 wurden bis Sonntagabend Mängel entdeckt. Das lässt Böses ahnen. Denn die Regierung hatte angekündigt, landesweit insgesamt 600 Hochhäuser mit einer ähnlichen Außenverkleidung wie der des Grenfell Tower überprüfen zu lassen. In dem Sozialbau hatte ein defekter Kühlschrank das Feuer entfacht, das sich über die Fassade durch alle 24 Stockwerke fraß.
Im Falle der Hochhäuser in Camden, in denen viele Ärmere leben, schlug die Feuerwehr bei der Überprüfung sofort Alarm: eine leicht entflammbare Außenfassade, keine Brandschutztüren, Mängel beim Schutz von Gasleitungen, Sperrholzplatten im Türbereich. Von der rasch angeordneten Evakuierung waren viele genervt. „Zwei frühere Brände in diesem Hochhaus sind doch leicht in Schach gehalten worden“, sagte ein Mann. Eine Frau meinte: „Sie hätten uns doch wenigstens noch eine Nacht in der Wohnung bleiben lassen können.“
Ganz anders im Fall des Grenfell Tower: Bewohner hatten immer wieder auf die Feuerschutzmängel aufmerksam gemacht – ohne gehört zu werden. Überlebende berichteten, dass es weder einen Feueralarm noch vernünftige Fluchtwege gegeben habe und die Rettungszufahrten oft von Autos versperrt gewesen seien. Verantwortliche zu finden ist schwer. So hatte der mehr als 40 Jahre alte Grenfell Tower mit seinen 120 Wohnungen trotz einer jüngst erfolgten Sanierung keine Sprinkleranlage. In neueren Hochhäusern sind diese vorgeschrieben, eine Pflicht zur Nachrüstung gibt es aber nicht.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan brachte im Observer den Abriss veralteter Gebäude ins Gespräch. Seine Labour-Parteikollegin Diane Abbott hält Premierministerin Theresa May und ihre Partei für schuldig: Die Konservativen würden die Bewohner von Sozialbauten „als Menschen zweiter Klasse“behandeln (dpa)