Der Standard

Reinigungs­dienste aus Vergaberec­ht weggeputzt

Um einer EU-Klage zuvorzukom­men, unternimmt die Koalition einen letzten Anlauf. Das umstritten­e Vergaberec­htspaket soll bis Mitte September geschnürt werden. Bis zuletzt wurde die Reinigungs­branche aus dem Bestbieter­prinzip weitgehend ausgespart.

- Luise Ungerboeck

Wien – In den Verfassung­sausschuss heute, Montag, schafft es das Vergaberec­htspaket nicht. Verloren geben die Regierungs­parteien die – aufgrund der Direktverg­aben im Schienenpe­rsonenverk­ehr – umstritten­e Materie aber noch nicht. Schon allein deshalb, weil Österreich bei der Umsetzung des Bestbieter­prinzips säumig ist und die EU-Kommission mit einem Vertragsve­rletzungsv­erfahren droht. Nun peilt man einen Kompromiss bis zum Spätsommer an, erfuhr der STANDARD aus den Parlaments­klubs. Für die ultimative Ausschusss­itzung wird der 14. oder 15. September anvisiert.

Bis dahin könnten abseits des Streitthem­as Verkehr noch Kompromiss­e gefunden werden. Ein Überdenken der Positionen erachtet die grüne Bauten- und Rechnungsh­ofsprecher­in Gabriela Moser beim Thema Reinigungs­dienste als dringend notwendig. Der Grund: Sie sind das erste Opfer des neuen Vergaberec­hts. „Im Ministeria­lentwurf war das Reinigungs­personal noch drinnen“, beklagt Moser. „Laut dem jüngsten Gesetzesen­twurf kann eine öffentlich­e Stelle den Bestbieter nehmen, sie muss aber nicht.“

Das sei insofern ein Rückschlag, als gerade in der Reinigungs­branche und im Facility-Management vielfach prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse herrschten. Hier wäre ein klares Bekenntnis gegen Lohn- und Sozialdump­ing drin- gend notwendig gewesen, appelliert Moser. Stattdesse­n soll es eine Art „Bestbieter light“geben. Ein Qualitäts- und Referenzka­talog sei ebenso ausgespart worden wie die Festlegung von Eignungsun­d Zuschlagsk­riterien. Das erlaubt weiterhin enormen Preiskampf, der vielfach zulasten der Einkommen der Arbeitnehm­er ausgetrage­n wird.

Nutznießer ist die öffentlich­e Hand. Denn die Erleichter­ungen gelten, so das Gesetzesvo­rhaben nicht mehr geändert wird, für hunderte Schulen, Universitä­ten, Einrichtun­gen von Bund, Ländern und Gemeinden, für Ämter, Krankenhäu­ser, Behörden und öffentlich­e Wirtschaft­sbetriebe. Betroffen sind also tausende Arbeitnehm­er, bevorzugt minderqual­ifizierte Frauen, meist Zuwanderer im sogenannte­n „persönlich­en Dienst“.

Sie sind der für Hotel, Gastgewerb­e, persönlich­en Dienst und Verkehr zuständige­n Dienstleis­tungsgewer­kschaft Vida kaum ein Anliegen – zumindest im Vergleich zum Abwehrkamp­f, den Vida-Vorsitzend­er Roman Hebenstrei­t gegen die von der ÖVP forcierte Liberalisi­erung des öffentlich­en Schienenpe­rsonenverk­ehrs seit Wochen führt.

Am Sonntag geißelte der VidaChef das von der ÖVP verlangte Verbot von Direktverg­aben bei der Bahn. Sollte die ÖVP-Forderung verwirklic­ht werden, wären österreich­ische Arbeitsplä­tze massiv gefährdet, zitierte die APA den ÖBB-Betriebsra­tschef. Er warnte vor „Golden Plating“, also einer Übererfüll­ung der EU-Vorgaben im Vergaberec­ht. 70 Prozent der EU-Länder führten nach wie vor Direktverg­aben durch.

Auf Anfrage des STANDARD verwies Hebenstrei­t am Sonntag auf künftige Verbesseru­ngen gegenüber dem Status quo. Dies freilich mit der Hintertür, dass in der Reinigungs­branche trotzdem unveränder­t der Billigstbi­eter zum Zug kommen kann.

Enttäuscht über die Doch-nichtEinig­ung beim Vergaberec­htspaket in letzter Minute zeigte man sich auch bei dem auf Abwicklung von Vergaben spezialisi­erten Auf- tragnehmer­kataster Österreich (Ankö). „Es wäre schade, wenn das gesamte Vergaberec­htspaket wegen Differenze­n in einem Einzelbere­ich nicht beschlosse­n würde“, sagte Ankö-Chef Alfred Jöchlinger dem STANDARD. Das geplante neue Bundesverg­aberecht bringe zwar Verbesseru­ngen, weil ein Auftragneh­mer innerhalb einer Behörde nur mehr einen Antrag auf Eignung für öffentlich­e Aufträge einbringen müsse. Noch besser wäre es aber, wenn die Behörden ihre eigenen Datenbestä­nde nutzen und die Anforderun­gen vereinheit­lichen würden.

Die Implementi­erung der EUVergaber­ichtlinie sei auch deshalb erstrebens­wert, weil sie Transparen­z bei der Eignung der Anbieter bringe und Hürden entferne. Auf das Single Procuremen­t Document können EU-weit alle Ausschreib­ungsbehörd­en zugreifen. Mit Einrichtun­g kompatible­r elektronis­cher Kataster entfällt dann auch die kostenpfli­chtige Veröffentl­ichung in der Wiener Zeitung. Sie koste allein die Wirtschaft pro Jahr 15 Millionen Euro, kritisiert die Wirtschaft­skammer. Noch einmal so viel fallen bei den öffentlich­en Auftraggeb­ern an.

 ??  ?? Am Bau rückt die öffentlich­e Hand Lohn- und Sozialdump­ing mit Auflagen zu Leibe. Beim Reinigungs­personal für Ämter, Schulen und Behörden wurden die Grundsätze hingegen weggewisch­t.
Am Bau rückt die öffentlich­e Hand Lohn- und Sozialdump­ing mit Auflagen zu Leibe. Beim Reinigungs­personal für Ämter, Schulen und Behörden wurden die Grundsätze hingegen weggewisch­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria