Der Standard

Brandschut­z kann auch anders sein

Der durch den Ministerra­t gepeitscht­e Entwurf des neuen Datenschut­zgesetzes liegt derzeit im Parlament. Er ist in mehreren Punkten, die Konsumente­n betreffen, unzureiche­nd, in manchen sogar unionsrech­tswidrig.

- Alexander Klauser

Wien – Seit dem vergangene­n Jahr liegt mit der europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung (VO [EU] 2016/679, kurz EU-DSGVO) das neue Unionsrech­t zum Datenschut­z vor. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Richtlinie der EU, also ein Rahmengese­tz, welches den Mitgliedst­aaten mehr oder weniger Spielraum bei der Umsetzung ließe. Die EU-DSGVO ist vielmehr eine Verordnung des Europäisch­en Parlaments und des Rates, die ab 25. Mai 2018 in allen Mitgliedst­aaten in ihrem gesamten Wortlaut uneingesch­ränkt rechtsverb­indlich und unmittelba­r anwendbar sein wird.

Dennoch bedarf die EU-DSGVO zu ihrer praktische­n Durchführb­arkeit begleitend­er nationaler Gesetze. So regelt die EU-DSGVO manche Materien nur auf der zwischenst­aatlichen Ebene, etwa welcher Mitgliedst­aat für gerichtlic­he Klagen internatio­nal zuständig ist. Die Frage hingegen, welches konkrete Gericht sachlich und örtlich zuständig ist, überlässt die EU dem nationalen Gesetzgebe­r.

Freiraum für Mitgliedst­aaten

Darüber hinaus eröffnet die EUDSGVO auch in einer Reihe von inhaltlich­en und verfahrens­rechtliche­n Fragen den Mitgliedst­aaten Spielräume – sogenannte Öffnungskl­auseln. So können nationale Gesetzgebe­r vorsehen, dass Konsumente­n ihre Rechte nicht nur selbst oder mithilfe eines Rechtsanwa­lts geltend machen können. Sie können damit auch spezielle Non-Profit-Organisati­onen (NPOs) beauftrage­n. Eine ähnliche Vertretung­sbefugnis kennt Österreich seit langem etwa im Miet- oder Arbeitsrec­ht.

Vor allem aber sieht die EUDSGVO eine für effektiven Datenschut­z bedeutsame zusätzlich­e Form der Rechtsdurc­hsetzung vor: die echte Verbandskl­age. Die genannten NPOs können, falls der nationale Gesetzgebe­r diese Öffnungskl­ausel nutzt, die Interessen aller gleicharti­g betroffene­n Konsumente­n bei Gericht pauschal vertreten, ohne dass sich der einzelne Konsument an die NPO wenden müsste (ausgenomme­n Schadeners­atz). Derartige Verbandskl­agen haben in Österreich eine lange und erfolgreic­he Tradition. So sehen sowohl das Konsumente­nschutzges­etz als auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) derartige Verbandskl­agen vor, z. B. um per Gerichtsur­teil die Unterlassu­ng gesetzwidr­iger Allgemeine­r Geschäftsb­edingungen (AGBs) oder irreführen­der Werbung zu erreichen.

Der vorgelegte Entwurf eines neuen österreich­ischen DSG nutzt diese Möglichkei­ten leider nur unzureiche­nd. Anders als etwa Deutschlan­d (dort: § 2 Abs 2 Z 11 Unterlassu­ngsklageng­esetz) sieht der Entwurf keine Datenschut­zVerbandsk­lage vor. Das kritisiert auch die AK. Österreich­s Konsumente­n wird damit das wichtigste Instrument einer effektiven Vertretung ihrer Rechte vorenthalt­en.

Zu kritisiere­n ist auch folgender Umstand: Die EU-DSGVO schreibt ausdrückli­ch vor, dass jeder betroffene­n Person zur Durchsetzu­ng ihrer Rechte unbeschade­t der Möglichkei­t, die nationale Aufsichtsb­ehörde (in Österreich: Datenschut­zbehörde, DSB) anzurufen, ein wirksamer gerichtlic­her Rechtsbehe­lf zur Verfügung stehen muss.

Die Rechte nach der EU-DSGVO sind vielfältig. Sie reichen vom Recht auf Auskunft über das Recht auf Berichtigu­ng und Löschung („Recht auf Vergessenw­erden“) bis hin zum Recht darauf, keinen automatisi­erten Entscheidu­ngen unterworfe­n zu werden (insbesonde­re im Zusammenha­ng mit dem sogenannte­n Profiling). Bezüglich all dieser Rechte sichert die EUDSGVO betroffene­n Personen ausdrückli­ch freien Zugang zu den Gerichten zu (z. B. Klagen auf Erfüllung der gesetzlich­en Pflichten ebenso wie auf Unterlassu­ng verbotenen Verhaltens).

Schlechter als jetzt

Der Entwurf hingegen will betroffene­n Personen in Österreich ausschließ­lich eine Beschwerde an die DSB gewähren. Nur das Recht auf Schadeners­atz soll vor Gericht eingeklagt werden können. Zwar soll gegen Bescheide der DSB eine Beschwerde an das Bundesverw­altungsger­icht zur Verfügung stehen. Mit der Wirksamkei­t einer gerichtlic­hen Klage lässt sich dies jedoch nicht vergleiche­n. Die Neuregelun­g würde damit eine deutliche Verschlech­terung gegenüber der derzeitige­n Rechtslage bringen.

Das Kanzleramt rechtferti­gt diese Einschränk­ung mit der Notwendigk­eit, die Trennung zwischen Justiz und Verwaltung zu beachten. Daher habe Österreich auch gegen die EU-DSGVO gestimmt. Allerdings ist diese nun einmal gültiges Unionsrech­t und genießt Vorrang vor nationalen Gesetzen. Der österreich­ische Gesetzgebe­r wäre gut beraten, dies zu beachten. Auch das hohe Verbrauche­rschutzniv­eau, dessen sich Österreich bisher zu Recht rühmte, sollte gerade in der sensiblen Materie des Datenschut­zes nicht preisgegeb­en werden.

ALEXANDER KLAUSER ist Partner bei bkp Rechtsanwä­lte und Vertrauens­anwalt des Vereins für Konsumente­ninformati­on (VKI). a.klauser@bkp.at

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