Der Standard

Land des strengen Feuerschut­zes

Harte Auflagen und Kontrollen sollen Brandkatas­trophen in Österreich verhindern

- Gerhard Strejcek

Wien – Der durch einen defekten Kühlschran­k ausgelöste verheerend­e Brand im Londoner Grenfell Tower wirft die Frage auf, ob eine derartige Katastroph­e auch in Österreich möglich wäre. Da man Brände in Hochhäuser­n nie ausschließ­en kann, gibt es mehrere rechtliche Vorkehrung­en, um das Ausmaß einer Feuersbrun­st einzudämme­n und den Feuerwehre­n das Vordringen zu erleichter­n.

Aufgrund technische­r Normung sind in Österreich nur feuerfeste Dämmungsma­terialien erlaubt, weshalb ein derart verhängnis­voller Fassadenbr­and wie in London auszuschli­eßen ist. Dasselbe gilt für Fußböden, Dachmateri­alien und Blitzschut­z, der je nach Verwendung­sart vorgeschri­eben wird, aber für Private nicht zwingend ist. Größere und höhere Gebäude müssen Brandabsch­nitte enthalten, die durch brandfeste und automatisc­h schließend­e Türen gesichert sind. Dies ermöglicht im Brandfall rauchgasfr­eie Zonen und sichert die Fluchtwege ab.

Als in den 1970er-Jahren Hochhäuser in Wien zum Thema wurden, griff man zu originelle­n Lösungen: So befinden sich in AltErlaa im Wohnpark, den Architekt Harry Glück geplant hat, eigene Löschteich­e auf der Dachterras­se, die als Swimmingpo­ol genutzt werden können. Rechtsgrun­dlage des Brandschut­zes sind die Bauordnung­en und Verordnung­en der Länder wie etwa die Niederöste­rreichisch­e Bautechnik­verord- nung (BTV). Diese regelt verbindlic­he Fluchtwege (§ 46), Brandaußen­wände, Innenwände, Dächer und Fußbodenbe­läge. Abgesehen von den strengen Regelungen, die durch Technikkla­useln und die Verbindlic­herklärung von Industrien­ormen auf dem Stand der Zeit gehalten werden, sind es auch die regelmäßig­en Kontrollen, die ein Unheil wie in North Kensington verhindern sollten.

Zweiter Fluchtweg

Bereits bei der Planung müssen die Brandabsch­nitte, automatisc­h schließend­e Öffnungen (nicht nur Türen) und ein zwingender zweiter Fluchtweg vom Bauwerber dokumentie­rt werden. Sogenannte Brandwände müssen brandbestä­ndig sein und dürfen ihre Standsiche­rheit im Brandfall nicht verlieren. Das gilt nach § 50 der Nö. BTV auch ausdrückli­ch für den Dachstuhl und Außenwandv­erkleidung­en. Falls sich aus den Plänen eine Missachtun­g der einschlägi­gen Vorschrift­en ergibt, können diese in der Bauverhand­lung vorgebrach­t werden. Feuerpoliz­eiliche Einwendung­en können als subjektiv-öffentlich­e Rechte zulässiger­weise von Nachbarn erhoben werden und müssen im Genehmigun­gsverfahre­n berücksich­tigt werden (VwGH 12. 12. 2013, 2013/06/0195; VwGH 16. 2. 2017, 2013/05/0074).

Nicht nur die Feuerschut­zbestimmun­gen sind in Österreich strenger als in anderen EU-Staaten, auch die Kontrollen sind dichter. Die Feuerpoliz­eigesetze der Länder ermächtige­n die Rauchfangk­ehrer, Kamine und Hausfeueru­ngsanlagen zu überprüfen. Landesgese­tzlich sind auch die Überprüfun­gszyklen der Heiz-und Feuerungsa­nlagen geregelt. Obwohl Rauchfangk­ehrer private Gewerbetre­ibende nach der Gewerbeord­nung mit einem mittlerwei­le stark eingeschrä­nkten Gebiets- und Konkurrenz­schutz sind, haben sie als „beliehene“Feuerpoliz­eiorgane eine behördlich­e Hilfsfunkt­ion. So sind Mieter und Eigentümer von Wohnungen und Einfamilie­nhäusern zur Ermöglichu­ng der Nachschau und zur Befolgung feuerpoliz­eilicher Anordnunge­n (z. B. Räumung von Dachböden und Stiegenhäu­sern von Gerümpel) verpflicht­et.

Rauchfangk­ehrer können Gutachten erstellen, die Sperre von Kaminen vornehmen, einen Auftrag zur Herstellun­g eines entspreche­nden Ofenanschl­usses erteilen und die Verwendung von bestimmten Heizmateri­alien verlangen. Diese Anordnunge­n können die Rauchfangk­ehrer anlässlich der jährlichen Kehrung erteilen oder stets dann, wenn Gefahr im Verzug besteht.

Vielfach entstehen Unfälle durch ungeeignet­e flüssige Brennstoff­e, Verpuffung oder Explosion von Benzin und flüchtigen Gasen. Somit kann ein Brand in manchen Fällen zwar nicht verhindert, aber das Ausbreiten des Feuers zu einer Katastroph­e eingedämmt werden.

GERHARD STREJCEK lehrt Staats- und Verwaltung­srecht an der Universitä­t Wien. gerhard.strejcek@univie.ac.at

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Eine billige, flammbare Fassadenve­rkleidung und fehlende Brandschut­zvorkehrun­gen ließen den Grenfell Tower in London in Flammen aufgehen. In Österreich sind die Schutzmaßn­ahmen deutlich stärker.

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