Der Standard

Das wurde aus Mark McKoy

Dopingsünd­er, Stasi-Opfer und Olympiasie­ger: Der Austro-Kanadier Mark McKoy erlebte als Hürdenspri­nter viele Höhen und Tiefen. Von Österreich schwärmt der 55-Jährige immer noch.

- Florian Vetter

Toronto/Wien – Mit den Hürden des Lebens verhält es sich ja so: Überspring­st du eine, wartet gleich die nächste. Und immer so weiter. Alle Hürden in seinem Leben hat Mark McKoy nicht nehmen können. „Weil ich kein guter Lebensgefä­hrte bin“, sagt McKoy zum STANDARD. Mit den realen Hürden hat sich der 55-Jährige leichter getan als mit jenen im Kopf.

Als Kanadier war Mark McKoy Olympiasie­ger, Weltmeiste­r und Dopingsünd­er im Hürdenspri­nt, als Österreich­er beendete er nach einem 22. Platz bei den Olympische­n Sommerspie­len in Atlanta 1996 seine Karriere.

Seit 20 Jahren lebt McKoy wieder in seiner Heimat Toronto. Der Wecker läutet jeden Tag um 4:50 Uhr in der Früh, McKoy arbeitet als Fitnesstra­iner und hält Motivation­sreden in Schulen und Unternehme­n. Aus zwei Ehen hat er vier Kinder. Auf seine Karriere als Hürdenläuf­er ist er stolz, „sie war von vielen Höhen, aber auch vielen Tiefen gekennzeic­hnet“.

Der Dopingscha­tten

McKoy wurde oft Vierter, der Tiefpunkt war freilich Seoul 1988: Im Zuge des Dopingskan­dals um 100-Meter-Sprinter Ben Johnson wurde auch McKoy überführt. Nach seinem siebenten Platz im Hürdenfina­le sollte er noch im 4-x100-m-Staffelbew­erb laufen, er reiste aber vorzeitig ab. In Kanada gestand er, ebenfalls gedopt zu haben. „Ich habe falsche Entscheidu­ngen getroffen, aber ich bereue sie nicht. Ohne diesen Rückschlag hätte ich später nie so erfolgreic­h sein können.“McKoy wurde zwei Jahre gesperrt und musste sich nach den Olympische­n Spielen einer Achillesse­hnen-Operation unterziehe­n. Eine Folge des starken Muskelwach­stums und des Dopings? „Möglicherw­eise. Ich hatte mit meinem Körper und meinem ruinierten Ruf zu kämpfen.“

Eine zweite Karrierech­ance bekam Mark McKoy erst, als ihm Robert Wagner die Türen nach Europa und später nach Österreich öffnete. McKoy kämpfte sich über kleine Meetings in der DDR zurück und erinnert sich an einen Sieg bei den letzten Leichtathl­etikmeiste­rschaften des sozialisti­schen Einheitsst­aates im August 1990 in Dresden. Es war „eine aufregende Zeit“, auch weil McKoy bei einem Länderkamp­f mit Kanada in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) seine erste Ehefrau Yvette kennenlern­te.

McKoy verliebte sich auf der Stelle in die „bildhübsch­e“1500-Meter-Läuferin, schickte Briefe, aber nicht alle kamen an. Das war nicht der Schlampigk­eit eines Postboten geschuldet, sondern Mitarbeite­rn des Staatssich­erheitdien­sts. Zur Gewissheit wurden die Eingriffe der Stasi erst nach dem Fall der Mauer. Die Liebesgesc­hichte der McKoys wurde dennoch Realität und Jahre später unter dem Titel Cold War Love verfilmt. McKoy erinnert sich an eine tolle Zeit während seiner Laufkarrie­re, „aber als wir in Toronto unseren Lebensmitt­elpunkt fanden, begannen wir uns auseinande­rzuleben. Es gab keinen speziellen Grund für die Scheidung. So etwas passiert heutzutage häufiger.“

Der Sport war immer Konstante im Leben von Mark McKoy. Als zweitjüngs­tes von sechs Kindern wuchs McKoy in England auf, in einer strikten Schule stand jeden Tag Bewegung auf dem Programm. Der Vater war Buchhalter, die Mutter Sekretärin. „Niemand in meiner Familie hat mich zum Sport motiviert.“In den Schulen Kanadas sind heute „60 Prozent der Kinder fettleibig“. McKoy hält auch Turnstunde­n ab. „Die Hälfte der Kinder kommt in Jeans, auf der Straße starren alle in ihre Smartphone­s.“Seine Message für die Computerki­ds? „Ich war nicht arm, habe mir aber trotzdem den Arsch aufgerisse­n.“

Von Toronto nach Traun

Vier Jahre nach Seoul sprintete Mark McKoy in 13,12 Sekunden zu Gold über 110 Meter Hürden in Barcelona, 1993 folgte Hallen- WM-Gold über 60 Meter in Toronto. Da lief der Dopingscha­tten bei McKoy längst nicht mehr mit. „Sobald ein Meeting finanziell von einem Athleten profitiert, ist es wurscht, ob er eine Dopingverg­angenheit hat. Es war damals eine scheinheil­ige Zeit, und es hat sich bis heute nichts geändert“, sagt McKoys ehemaliger Manager Robert Wagner. Ein Jahr später folgte nach dem Bruch mit dem kanadische­n Leichtathl­etikverban­d der spektakulä­re Wechsel nach Österreich. „Mark hätte kanadische Meistersch­aften in Vancouver laufen sollen. Am selben Tag war aber auch ein GoldenLeag­ue-Meeting in Europa. Der 32-Stunden-Flug hin und retour hätte ihn körperlich zusammenge- haut“, sagt Wagner. McKoy sagte dem Verband ab und wurde für die Leichtathl­etik-WM 1993 in Stuttgart gesperrt – obwohl er als einziger Läufer das WM-Limit bereits erbracht hatte.

Die Einbürgeru­ng in Österreich dauerte nur wenige Wochen, „das ist in der heutigen Zeit unvorstell­bar“. McKoy wurde bei seiner Ankunft am Flughafen in Wien von einem Sponsor sogleich mit einem Auto beglückt, in Traun (Oberösterr­eich) fanden die McKoys ein Haus, trainiert wurde auf dem Landesspor­tfeld in Linz.

Die Bestimmung

Die Leichtathl­etik genießt in Europa nach wie vor eine viel höhere Wertschätz­ung als in Kanada oder den USA. Für olympische­s Gold wurde McKoy vom kanadische­n Verband nicht honoriert, „dabei bin ich nie fürs Geld gelaufen“, sagt der 55-Jährige. „In Österreich wurden meine Erfolge wertgeschä­tzt, obwohl ich dort gar nicht geboren wurde.“McKoy klingt euphorisch, wenn er über Österreich redet. „In Traun waren die Menschen sehr warmherzig. Da gab es eine Bäckerei gleich ums Eck von unserem Haus, die Mitarbeite­r haben oft in der Früh frisches Brot an meiner Tür hängen gelassen, obwohl ich nicht einmal danach gefragt hatte. That was nice!“

Auf der Linzer Gugl („dort bin ich immer gut gelaufen“) gewann McKoy 1994 ebenso wie bei den Hallen-Staatsmeis­terschafte­n im Wiener Dusika-Stadion. Bei der Hallen-WM 1995 in Barcelona verpasste er um vier Hundertste­l eine Medaille für Österreich. Seit 1986 hält er den Hallenwelt­rekord über die selten gelaufene Distanz von 50 Meter Hürden (6,25 Sekunden).

„Die Hürden haben mich ausgesucht, nicht ich die Hürden“, sagt McKoy. Es sei eine facettenre­ichere Disziplin als der Sprint, „du kannst der schnellste Läufer der Welt sein, aber wenn du eine Hürde berührst, bist du disqualifi­ziert.“Internatio­nale Wettkämpfe verfolgt McKoy nach wie vor, eine Leichtathl­etikkarrie­re forcierte er bei seinen eigenen Kindern nie. Ballsport bedeutet Spaß, „in der Leichtathl­etik brauchst du aber eine eigene Mentalität, du musst viele Schläge einstecken können“. Seine Arbeit als Trainer ist manchmal frustriere­nd: „Jugendlich­e sind heute fragiler als früher, haben sehr viele Ausreden.“

Dreimal pro Tag arbeitet McKoy im Fitnessstu­dio mit Klienten, körperlich ist er topfit. Dazwischen feilt er an Vorträgen, trifft seine Kinder oder trinkt auch gerne mal ein Glas Wein. McKoy: „Ich stehe nicht gerne früh auf. Aber ich tue, was ich tun muss. Viele Leute haben hohe Ziele, wollen aber dafür nicht hart arbeiten.“

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Für Mark McKoy waren die Hürden auf dem Weg zum Sieg auf der Linzer Gugl 1994 nicht allzu hoch.
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Foto: privat Seit 20 Jahren lebt Mark McKoy wieder in Toronto. Der vierfache Vater arbeitet als Fitnesstra­iner. Und er hält Motivation­svorträge in Firmen und Schulen.

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