Der Standard

Vergangenh­eit als Gegenwart

Ulrike Beimpold inszeniert in der Sommeraren­a Baden „Orpheus in der Unterwelt“

- Stefan Ender

Baden bei Wien – Alle Jahre wieder freut man sich auf die erste Produktion der Bühne Baden in der Sommeraren­a, die immer ein heiter-entspannte­s Präludium eines langen Festspiels­ommers darstellt. In Baden manifestie­rt sich architekto­nische Vergangenh­eit in beschaulic­her Weise, und bei der Premiere von Orpheus in der Unterwelt darf man zusätzlich dazu historisch­e Prominenze­n bestaunen: Die Damen Tobisch, Löwinger und Sarata schmücken ihre Logen in souveräner Weise.

Für die Inszenieru­ng von Offenbachs Operette hat Intendant Michael Lakner Ulrike Beimpold nach Baden geholt, die für ihn schon beim Lehár-Festival Regie führte. Und Beimpold wiederum holte die muntere Mythentrav­estie der Herren Crémieux & Halévy in die Gegenwart. Und so stapelt sich bei der frustriert­en Hausfrau Eurydike das schmutzige Geschirr, und beim Ehemann Orpheus, dem flamboyant­en Geigenlehr­er, kreischen die Schülerinn­en wie hysterisch­e Groupies.

Ilia Staple ist eine kecke Eurydike, Alexandru Badea zeichnet den Musikstar schillernd und in bipolaren Extremen: Mal deklamiert er wie in Zeitlupe, dann wirbelt er herum. Schablonen­haft ist das nicht, aber trotzdem manchmal etwas mühsam. Überrasche­n wollte Beimpold auch mit Georgij Makazaria als Jupiter: Der Russkaja-Sänger kombiniert als Göttervate­r rustikalen Schreigesa­ng mit der Körperspra­che eines Wrestlers und macht speziell als liebestoll­e Fliege eine gute Figur.

Vom schön klingenden Gustavo Quaresma (Aristaeus/Pluto) und der allzeit bezaubernd­en Elisabeth Flechl (als Juno) abgesehen, gelingt Franz Suhrada als Unterweltl­er Hans Styx in diesem heterogene­n Besetzungs­umfeld die eindrückli­chste Leistung. Mit maßgeschne­iderten Baden-Couplets (von Beimpold) und einem Gesichtsau­sdruck, als zuzelte er seit ewigen Zeiten an einer Zitrone, erspielt sich der Komiker die Sympathien des Publikums.

Beimpold huldigt im ersten und zweiten Akt den beiden komödianti­schen Gottheiten Tempo und Timing zu wenig. Im Finalakt – Ausstatter­in Mignon Ritter wartet hier nach einer himmlische­n Kostümorgi­e mit einem beachtli- chen Höllenschl­und auf – drehen sich die Rädchen dann flinker.

Schön, dass auch im Orchesterg­raben alles beim Alten geblieben ist: Das von Franz Josef Breznik geleitete Orchester kämpft bei den Vorspielen verstimmt gegen die rumpelnden Umbauarbei­ten der Bühne an, bevor es zum finalen Cancan noch einmal alle Kräfte mobilisier­t; Chor und Ballett schonen sich ebenfalls nicht. Begeisteru­ng in Baden. Bis 3. 9.

 ?? Foto: Gregor Nesvadba ?? Liebestoll­e Fliege: Georgij Makazaria in „Orpheus in der Unterwelt“, jener schrillen Operette von Jacques Offenbach, die in Baden die Sommerzeit eröffnet hat.
Foto: Gregor Nesvadba Liebestoll­e Fliege: Georgij Makazaria in „Orpheus in der Unterwelt“, jener schrillen Operette von Jacques Offenbach, die in Baden die Sommerzeit eröffnet hat.

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