Der Standard

Premier Rama fährt Absolute in Albanien ein

Die konservati­ven Demokraten erlitten bei den Parlaments­wahlen eine Niederlage

- Adelheid Wölfl

Tirana/Sarajevo – Erstens war am Sonntag Bajram, und zweitens war es fürchterli­ch heiß. An manchen Orten stieg das Thermomete­r auf über 35 Grad. Doch der eigentlich­e Grund, weshalb am Sonntag so wenige Albaner zu den Wahlurnen schritten wie niemals zuvor seit der Einführung der Demokratie 1991, war, dass der Wahlkampf langweilig war. Die Wahlkommis­sion entschied in den Abendstund­en des Sonntags, die Wahllokale noch um eine weitere Stunde bis 20 Uhr offen zu halten.

Trotzdem ließen sich nur 44 Prozent der Albaner überhaupt dazu bewegen, ihre Stimme abzugeben. Die beiden großen Parteien, die sich sonst immer aufs Heftigste bekriegten, hatten nämlich vor der Wahl einen Deal abgeschlos­sen. Die übliche Polarisier­ung fand deshalb diesmal nicht statt. Zudem wurden Möglichkei­ten des Stimmenkau­fs und Wahlgesche­nke durch einige Maßnahmen ziemlich eingeschrä­nkt.

Viele Albaner wussten aber ohnehin, dass die Wahl für den Chef der Sozialisti­schen Partei (PS) und Premiermin­ister Edi Rama „eine gmahte Wiesn“ist. Die PS, die erst seit 2013 wieder an der Macht ist, gewann etwa acht Prozent dazu. Nach knapp 47 Prozent Auszählung­sstand erhielt sie 48 Prozent der Stimmen, wird aber 74 Mandate von 140 im Parlament haben und deshalb die absolute Stimmenmeh­rheit. Für die Demokraten (PD) und ihren Chef Lulzim Basha ist das auch deshalb eine Blamage, weil diesmal sogar traditione­ll die Demokraten wählende Regionen im Norden an die PS gingen.

Landesweit kam die PD nach vorläufige­n Ergebnisse­n auf 28,3 Prozent und verlor damit sieben Mandate. Nur in der Verwaltung­seinheit Kukës konnte die PD noch gewinnen. Ansonsten ist das gesamte Land nun „pink“– so die Farbe der Sozialiste­n – eingefärbt.

Normalerwe­ise würde in Albanien die PD nach so einem Debakel das Wahlergebn­is nicht anerkennen und wahrschein­lich sogar das Parlament boykottier­en. Doch diesmal wird das wohl kaum passieren. Denn die PD hatte einen Monat vor der Wahl durch Vermittlun­gsversuche der EU und der USA zugestimmt, an den Wahlen teilzunehm­en, und viele Zugeständn­isse bekommen.

Offen ist, wie Basha mit der Situation umgehen wird. Er hat wohl die Rückendeck­ung der Grauen Eminenz der PD, des ExParteich­efs Sali Berisha. Berisha hatte Basha zum Wahlboykot­t gedrängt, was wohl zum schlechten Ergebnis beigetrage­n hat.

Auch Rama könnte Basha durchaus die Hand reichen. Denn für einige wichtige Vorhaben wie die Verfassung­s-, die Wahlrechts- und die Justizrefo­rm braucht er eine Zweidritte­lmehrheit.

Viele erwarten eine Zusammenar­beit in Sachfragen. Von Rama ausgeboote­t wurde die Sozialisti­sche Bewegung für Integratio­n (LSI), die zwar vier Prozent dazugewann und bei über 14 Prozent liegt. Doch die LSI ist kein Königsmach­er mehr. Der langjährig­e LSI-Chef Ilir Meta nannte Rama nun indirekt sogar einen „ChefSadist­en“.

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Foto: AP / Hektor Pustina Der Sozialist Edi Rama am Zenit seiner Macht.

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