Dicke Luft im russischen Fußballverband
Neue Dopingvorwürfe gegen Russland, diesmal gegen das Fußballteam. Dazu das Ausscheiden in der Vorrunde des Confed Cup: Die Stimmung in Moskau ist mies.
Wjatscheslaw ist schwer geknickt. Eigentlich hatte sich der Moskauer das Wochenende so schön vorgestellt: Grillen auf der Datscha bei Freunden, dazu am Abend gemütlich vor dem Fernseher das entscheidende Vorrundenspiel der Russen gegen Mexiko schauen. Doch zuerst streikte die Antenne. Und dann auch noch die Sbornaja. Auf dem Handy verfolgt Wjatscheslaw die letzten Sekunden des Spiels, ehe er betrübt die 1:2-Niederlage zu akzeptieren hatte – trotz 1:0-Führung.
„Es ist doch wie immer. Erst große Hoffnungen und dann wieder eine Pleite“, sagt Wjatscheslaw und macht sich enttäuscht auf die Heimfahrt. Tatsächlich sind die Erfahrungen der russischen Fußballfans beim Confed Cup exemplarisch für die Achterbahn der Gefühle bei vergangenen Großereignissen. Nach erfolgverheißendem Start – dem Sieg gegen Neuseeland oder der Führung gegen Mexiko – scheint den Kickern regelmäßig die Luft auszugehen. Das war bei der EM im vergangenen Jahr – nach dem erkämpften Unentschieden gegen England – ebenso wie bei der WM 2014, wo das Weiterkommen im letzten Gruppenspiel gegen Algerien trotz früher Führung verpasst wurde.
Immerhin, Randale gab es diesmal nicht. Während die Fans ihre Emotionen unter Kontrolle behielten, brannten aber bei einigen Offiziellen die Sicherungen durch: Igor Lebedew, Duma-Abgeordneter und Vorstandsmitglied des russischen Fußballverbands, forderte nach dem Spiel, Mittelfeldspieler Juri Schirkow „in die Fres- se“zu geben. Schirkow hatte im Spiel die gelb-rote Karte gesehen. Lebedew, der Sohn des kremlnahen Skandalpolitikers Wladimir Schirinowski, machte daher ihn und Torhüter Igor Akinfejew explizit für den neuen Misserfolg der Sbornaja verantwortlich. „Einer macht Patzer, der andere lässt uns hängen, und nachher schimpft wieder das ganze Land auf die Buben, die echt gekämpft haben“, dabei hätten die zwei alles „verdorben“, sagte Lebedew.
Russlands Fußballchef Witali Mutko wollte die Kritik nicht so stehenlassen: Schirkow sei ein „Weltklassespieler“, und Lebedew solle sich wie ein Mann verhalten. „In die Fresse geben? Komm und versuch’s! Mal sehen, was dabei herauskommt“, konterte er den Ausfall seines Verbandskollegen. Für den soll die verbale Entgleisung noch ein Nachspiel haben. Im Verband wird ein Ethikverfahren gegen Lebedew angestrengt. Dessen Unterstützungstweet für russische Hooligans während der EM in Frankreich („Gut gemacht Jungs. Weiter so!“) hatte dafür noch nicht ausgereicht.
Schlechtes Zeug
Die Querelen um die aktuelle Elf sind allerdings nicht das einzige Problem Mutkos. Der Vizepremier muss sich nun auch noch mit Dopingvorwürfen gegen die Nationalelf auseinandersetzen. Die Daily Mail hatte berichtet, der Weltverband Fifa verdächtige die russische WM-Mannschaft von 2014 des Dopings, darunter auch Schirkow und Akinfejew. Englische Zeitungen solle man grundsätzlich nicht lesen, die schrieben seit 2010 nur schlechtes Zeug über Russland, sagte Mutko.
Was nicht bedeutet, dass die medial erhobenen Dopingvorwürfe gegen russische Sportler in der Vergangenheit aus der Luft gegriffen waren. Gerade in der Leichtathletik musste Moskau deswegen mit schmerzhaften Sanktionen leben. Doch für die Kicker gelte das nicht, zeigte sich Mutko wieder einmal überzeugt. „Im Fußball gab es nie Doping und wird es nie geben – unsere Auswahl wird permanent kontrolliert, Dopingpro- ben gibt es bei jedem Spiel.“Dies hat die Fifa zumindest bestätigt. Alle Proben russischer Spieler, sowohl bei der WM als auch beim aktuellen Turnier, seien negativ ausgefallen, teilte die Pressestelle mit. Völlige Entwarnung für Moskau bedeutet das nicht. Der Fuß- ballverband sei in engem Kontakt mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), um die Vorwürfe zu staatlich gedecktem Doping auch im Fußball zu klären, sagte ein Sprecher. Das Thema wird die Sbornaja also noch eine Zeitlang beschäftigen.