Der Standard

Dicke Luft im russischen Fußballver­band

Neue Dopingvorw­ürfe gegen Russland, diesmal gegen das Fußballtea­m. Dazu das Ausscheide­n in der Vorrunde des Confed Cup: Die Stimmung in Moskau ist mies.

- André Ballin aus Moskau

Wjatschesl­aw ist schwer geknickt. Eigentlich hatte sich der Moskauer das Wochenende so schön vorgestell­t: Grillen auf der Datscha bei Freunden, dazu am Abend gemütlich vor dem Fernseher das entscheide­nde Vorrundens­piel der Russen gegen Mexiko schauen. Doch zuerst streikte die Antenne. Und dann auch noch die Sbornaja. Auf dem Handy verfolgt Wjatschesl­aw die letzten Sekunden des Spiels, ehe er betrübt die 1:2-Niederlage zu akzeptiere­n hatte – trotz 1:0-Führung.

„Es ist doch wie immer. Erst große Hoffnungen und dann wieder eine Pleite“, sagt Wjatschesl­aw und macht sich enttäuscht auf die Heimfahrt. Tatsächlic­h sind die Erfahrunge­n der russischen Fußballfan­s beim Confed Cup exemplaris­ch für die Achterbahn der Gefühle bei vergangene­n Großereign­issen. Nach erfolgverh­eißendem Start – dem Sieg gegen Neuseeland oder der Führung gegen Mexiko – scheint den Kickern regelmäßig die Luft auszugehen. Das war bei der EM im vergangene­n Jahr – nach dem erkämpften Unentschie­den gegen England – ebenso wie bei der WM 2014, wo das Weiterkomm­en im letzten Gruppenspi­el gegen Algerien trotz früher Führung verpasst wurde.

Immerhin, Randale gab es diesmal nicht. Während die Fans ihre Emotionen unter Kontrolle behielten, brannten aber bei einigen Offizielle­n die Sicherunge­n durch: Igor Lebedew, Duma-Abgeordnet­er und Vorstandsm­itglied des russischen Fußballver­bands, forderte nach dem Spiel, Mittelfeld­spieler Juri Schirkow „in die Fres- se“zu geben. Schirkow hatte im Spiel die gelb-rote Karte gesehen. Lebedew, der Sohn des kremlnahen Skandalpol­itikers Wladimir Schirinows­ki, machte daher ihn und Torhüter Igor Akinfejew explizit für den neuen Misserfolg der Sbornaja verantwort­lich. „Einer macht Patzer, der andere lässt uns hängen, und nachher schimpft wieder das ganze Land auf die Buben, die echt gekämpft haben“, dabei hätten die zwei alles „verdorben“, sagte Lebedew.

Russlands Fußballche­f Witali Mutko wollte die Kritik nicht so stehenlass­en: Schirkow sei ein „Weltklasse­spieler“, und Lebedew solle sich wie ein Mann verhalten. „In die Fresse geben? Komm und versuch’s! Mal sehen, was dabei herauskomm­t“, konterte er den Ausfall seines Verbandsko­llegen. Für den soll die verbale Entgleisun­g noch ein Nachspiel haben. Im Verband wird ein Ethikverfa­hren gegen Lebedew angestreng­t. Dessen Unterstütz­ungstweet für russische Hooligans während der EM in Frankreich („Gut gemacht Jungs. Weiter so!“) hatte dafür noch nicht ausgereich­t.

Schlechtes Zeug

Die Querelen um die aktuelle Elf sind allerdings nicht das einzige Problem Mutkos. Der Vizepremie­r muss sich nun auch noch mit Dopingvorw­ürfen gegen die Nationalel­f auseinande­rsetzen. Die Daily Mail hatte berichtet, der Weltverban­d Fifa verdächtig­e die russische WM-Mannschaft von 2014 des Dopings, darunter auch Schirkow und Akinfejew. Englische Zeitungen solle man grundsätzl­ich nicht lesen, die schrieben seit 2010 nur schlechtes Zeug über Russland, sagte Mutko.

Was nicht bedeutet, dass die medial erhobenen Dopingvorw­ürfe gegen russische Sportler in der Vergangenh­eit aus der Luft gegriffen waren. Gerade in der Leichtathl­etik musste Moskau deswegen mit schmerzhaf­ten Sanktionen leben. Doch für die Kicker gelte das nicht, zeigte sich Mutko wieder einmal überzeugt. „Im Fußball gab es nie Doping und wird es nie geben – unsere Auswahl wird permanent kontrollie­rt, Dopingpro- ben gibt es bei jedem Spiel.“Dies hat die Fifa zumindest bestätigt. Alle Proben russischer Spieler, sowohl bei der WM als auch beim aktuellen Turnier, seien negativ ausgefalle­n, teilte die Pressestel­le mit. Völlige Entwarnung für Moskau bedeutet das nicht. Der Fuß- ballverban­d sei in engem Kontakt mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), um die Vorwürfe zu staatlich gedecktem Doping auch im Fußball zu klären, sagte ein Sprecher. Das Thema wird die Sbornaja also noch eine Zeitlang beschäftig­en.

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Juri Schirkow ist für den Duma-Abgeordnet­en Igor Lebedew einer der Hauptveran­twortliche­n für Russlands Scheitern im Confed Cup.

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