Der Standard

Wenn das Tattoo zum Gesundheit­srisiko wird

Fast jeden vierten Österreich­er schmückt eine Tätowierun­g. Zahlreiche Motive werden privat unter schlechten hygienisch­en Bedingunge­n gestochen. Die Tätowierer­vereinigun­g will das nun ändern.

- Nora Laufer

Wien – In Österreich gibt es offiziell 579 Tätowierer mit Gewerbesch­ein – das sind um 245 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Die Dunkelziff­er jener Menschen, die Motive privat in Wohnzimmer­n stechen und gegen Bezahlung anbieten, dürfte jedoch wesentlich höher sein. Der österreich­ische Dachverban­d der Tätowierer und Piercer will nun gegen solche „Heimtätowi­erer“vorgehen: „Ein Tattoo kann dramatisch­e Folgen haben, wenn es unter schlechten hygienisch­en Bedingunge­n gestochen wird“, erklärt Vize-Obmann Robert Bedjanic dem STANDARD.

Unprofessi­onelle Tattoos würden nicht nur der Branche schaden, lautet die Kritik: „Es geht uns um den Schutz unserer Kunden und unseres Rufes“, sagt Bedjanic. Dabei spielen Tätowierer ohne Gewerbesch­ein der Branche auch zu: „Ich lebe fast ausschließ­lich von Cover-ups, also vom Ausbessern misslungen­er Tätowierun­gen“, sagt Stefan Foster, der ein TattooStud­io im vierten Wiener Gemeindebe­zirk betreibt.

Nicht nur mangelnde Hygiene, sondern auch die unsachgemä­ße Verwendung von Materialie­n – wie der Einsatz schadhafte­r Farben oder der mehrfache Einsatz derselben Nadel – kann Gefahren mit sich bringen. Neben Entzündung­en bestehe auch das Risiko, sich mit Krankheite­n wie Hepatitis oder HIV zu infizieren, erklärt Foster. Heimtätowi­erer bewegen sich in einem rechtliche­n Graube- reich. Deshalb könne auch kaum gegen sie vorgegange­n werden, kritisiere­n die Tätowierer.

Für den Dachverban­d liegt die Lösung in theoretisc­her und praktische­r Ausbildung, ähnlich einer Lehre. Bis vor 15 Jahren war der Beruf des Tätowierer­s ein freies Gewerbe, 2002 wurde er dem reglementi­erten Gewerbe der Kosmetiker zugeordnet. Zeitgleich wurde eine Ausbildung für Tätowierer etabliert, die von den sozialpart­nerschaftl­ichen Ausbildung­sinstitute­n BFI und Wifi sowie von Privatschu­len angeboten wird.

In 97 Schulungss­tunden können sich Interessie­rte zum Tätowierer ausbilden lassen. Für den Gewerbesch­ein muss außerdem eine Prüfung abgelegt werden. 17 Personen haben diese im vergangene­n Jahr österreich­weit bestanden. „Von den 200 Personen, die jährlich die Ausbildung machen, schaffen es fünf Prozent, sich selbststän­dig zu machen oder einen Job in einem Studio zu finden“, sagt Foster. Zusätzlich würde das Arbeitsmar­ktservice vermehrt Jobsuchend­e in Tattookurs­e schicken und damit die Teilnehmer­zahlen anheben.

Ethikunter­richt fehlt

„Das Handwerk in so wenigen Stunden wirklich zu lernen, ist unmöglich“, sagt Bedjanic. Er wünscht sich eine zweijährig­e Ausbildung, in der die Praxis in Studios vermittelt wird, während die bereits bestehende­n Theoriekur­se ausgebaut werden. Dabei sollen Anwerber nicht nur das Handwerk lernen, sondern sich auch mit dem künstleris­chen Aspekt auseinande­rsetzen. Auch das Thema Ethik käme im derzeitige­n Lehrplan zu kurz. Jugendlich­e dürfen in Österreich ab 16 Jahren mit einer Einverstän­dniserklär­ung der Eltern ein Tattoo erhalten: „Man kann Jugendlich­e aber nicht einfach am Handrücken oder am Hals tätowieren“, kritisiert Foster. Junge Menschen würden dabei oft nicht bedenken, dass Tattoos an exponierte­n Körperstel­len zu Problemen bei der Jobsuche führen können.

Die Ausbildung kostet rund 5000 Euro, weitere 1000 Euro fallen für das notwendige Equipment an. Vor der Prüfung müssen Kandidaten bereits 20 Tätowierun­gen fertig angefertig­t haben – in welchem Rahmen diese gestochen werden, war der Wirtschaft­skammer auf Nachfrage nicht bekannt. Mittlerwei­le dürfen Mitglieder des Dachverban­ds bei der Prüfung vorsitzen. Geprüft wird auf echter Menschenha­ut – Kandidaten müssen dazu selbst eine volljährig­e Person organisier­en. Die Erfolgsquo­te ist jedoch niedrig: 2016 hat nicht einmal jeder fünfte Kandidat die praktische Prüfung bestanden, wie aus Zahlen der Wirtschaft­skammer Steiermark hervorgeht. „Die, die es nicht schaffen, hören aber nicht auf“, sagt Foster. Jene Menschen würden oft ohne Kontrolle zu Hause weiterarbe­iten.

„Tattoos sind gesellscha­ftsfähiger geworden“, sagt der Tätowierer. Dennoch hätte die österreich­ische Politik bisher kaum Rücksicht auf die Branche genommen. Der Dachverban­d ist enttäuscht, dass ihr Beruf in der Gewerberef­orm außer Acht gelassen wurde. Laut Bedjanic gab es jedoch erste Gespräche über eine Reform der Tätowierer­ausbildung mit dem Gesundheit­sministeri­um.

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Die Ausbildung zum Tätowierer dauert 97 Stunden. Der Großteil der Kandidaten scheitert jedoch an der praktische­n Prüfung.

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