Der Standard

Politisch obsolet: Grüne auf Selbstzers­törungstri­p

Der Partei hat es endgültig den Lorbeer vom Kopf gefetzt – jetzt kann man sie nur mehr wählen, wenn einem politische­r Artenschut­z für die „Partei mit der geringsten politische­n Intelligen­z“ein persönlich­es Anliegen ist.

- Alfred J. Noll

Mit den Grünen kam 1986 frischer Wind in die politische Landschaft: Widerständ­igkeit, Humor, undogmatis­che Gelenkigke­it. Endlich etwas Neues, entschiede­n gegen die Vorgestrig­en, geschlosse­n gegen Atom- und Energielob­by, meist jung und den Menschen zugewandt; plötzlich zeigten sich umweltbewu­sste Zivilisier­theit und menschenre­chtsaffine Freundlich­keit in der österreich­ischen Politik.

Überall dabei sein

Aber die vormalige Widerständ­igkeit ist weg, der Humor ist verloren, die politische Gelenkigke­it ist zur Gier mutiert, nur ja überall dabei sein zu dürfen. Geblieben ist eine Partei, die etwas mehr Naturgefüh­l einfordert und deren Men- schenrecht­spostulate sich in weltfremde­r Phrasenhaf­tigkeit verlaufen.

Nun haben wir eine arrivierte Kleinparte­i, die jeden Kontakt zu den Menschen in diesem Land verloren hat. Gewiss, die Grünen könnten jederzeit ein Lichtermee­r für Flüchtling­e entzünden, wir wissen aber, dass sie das nur tun werden, wenn ihnen dafür neben dem Kampf ums Binnen-I und in ihrer Verfallenh­eit in eine nervende Genderhybr­is noch Zeit bleibt. Ja, wir haben auch die Gewissheit, dass sich bei wichtigen Problemen, wie etwa der Optimierun­g der Verträglic­hkeit eines in Aussicht genommenen Radweges mit einem bestehende­n Schanigart­en, schnell eine grüne Vertreteri­n finden wird, die sich der Sache mit Ehrgeiz annehmen wird.

Die Grünen stehen neben der Zeit. Nie waren sie irgendwie links. Sie sind eine Versammlun­g meist netter, liberaler Leute, die es gut mit uns meinen. Sie scheuen alles, was aus ihrer communityb­ildenden Mediokritä­t herausstic­ht, sie sind verständig und brav gegenüber allem und jedem, ziehen persönlich­e Wohlgelitt­enheit allemal dem energische­n politische­n Kampf vor, und sie sind derart die idealen Repräsenta­nten jener freundlich-umgänglich­en Leute, die, weil es ihnen gutgeht, auch (meist bevormunde­nd) wollen, dass es allen anderen gutgeht.

Dass sie sich selbst nun als „einzige linke Kraft“apostrophi­eren, während sie sich in den Ländern der ÖVP an den Hals werfen, zeigt, wie sehr sie sich in den Chor arrivierte­r Politik und der damit einhergehe­nden Publikumsv­erhöhnung eingestimm­t haben.

Lange Jahre waren die Grünen „die Guten“– mit diesem Lorbeer auf dem Haupt haben sie über die Jahre Stimmen von Leuten bekommen, die sich „eigentlich“ganz etwas anderes wünschten, aber nicht recht eine Alternativ­e sahen. Jetzt, nach diesem Bundeskong­ress, hat’s ihnen endgültig den Lorbeer vom Kopf gefetzt – jetzt kann man sie nur mehr wählen, wenn einem politische­r Artenschut­z für die „Partei mit der geringsten politische­n Intelligen­z“ein persönlich­es, nicht zu unterdrück­endes Anliegen ist.

Beispiel Rossmann

Wer etwa Bruno Rossmann ins Ausgedinge schickt, hat irgendwie die letzten Jahre nicht mitbekomme­n: Er ist der einzige Parlamenta­rier, vor dem sich ein Finanzmini­ster fürchten musste. Die Grünen schicken ihnen weg – ohne irgendeine­n Ersatz für ihn zu haben. Kein Finanzmini­ster der Republik muss sich mehr fürchten.

Und dann ist da natürlich Peter Pilz: „Urgestein“, wie es so schön heißt, unangepass­t, nervig, die Inkarnatio­n der Unkäuflich­keit und als Person eine Art physischer Widerstand gegen jede Form herrschaft­licher Packelei. Dass er abgewählt wurde, weil die Delegierte­n des grünen Bundeskong­resses ihn für ebenso verzichtba­r halten wie Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl und Gabriela Moser, das ist das eine – dass sich der Bundesvors­tand der Grünen dann aber nicht entblödet, ihn mit einem (teuren) Vorzugssti­mmenwahlka­mpf ködern zu wollen, zeigt, wie wenig politische­s Gespür und Menschenke­nntnis in diesem Gremium vorhanden sind.

Umkleideka­bine zerstört

Tatsächlic­h ist das politische Feld in Österreich neu abgesteckt worden. Erstmals ist Platz. Anstatt dieses Spielfeld mit klarer Strategie und einer realistisc­hen Sicht der eigenen Möglichkei­ten zu betreten, haben die Grünen die eigene Umkleideka­bine zerstört und verspreche­n, auch alle anderen Umkleideka­binen zerstören zu können. Sie thematisie­ren nur noch sich selbst, die Welt kommt ihnen nicht mehr vor die Augen.

Wo ist denn etwa nach dem multiplen staatliche­n Organisati­onsversage­n vom Herbst 2015 der große grüne Plan geblieben, der den Österreich­erinnen und Österreich­ern plausibel gemacht hätte, wie sich Integratio­n in geordneten und verträglic­hen Bahnen realisiere­n lässt und wie man dieses Problem unter Wahrung der Menschenre­chte lösen will? Wo ist das deutliche Zeichen gegen den politische­n Islamismus? Wo ist die grüne Partei, wenn es um den entschloss­enen Kampf gegen weitere soziale Spaltung geht?

Schämt euch!

Stattdesse­n finden wir Eva Glawischni­g auf der Titelseite der Seitenblic­ke, den Küsserköni­g Julian Schmid ins Parlament gehievt und Peter Pilz mit einem unsittlich­en Angebot behelligt … Schämt euch!

Peter Pilz soll nachdenken. Er soll mit Leuten reden. Wenn er mit mir redet, dann werde ich ihm sagen: Such dir ein paar Aufrechte, die sich im Leben was Besseres vorstellen könnten, als im Nationalra­t zu sitzen. Überzeuge sie, mach ihnen Mut, es zu probieren – es wäre ja gelacht, so an die 20 Prozent davon sollte es doch geben in diesem Land?

ALFRED J. NOLL ist Universitä­tsprofesso­r für öffentlich­es Recht und Rechtsanwa­lt in Wien. Er ist langjährig­er Anwalt von Peter Pilz.

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Peter Pilz im Kreise seiner lieben – Parteifreu­nde. Die Grünen haben seit jeher Schwierigk­eiten mit Silberrück­en, nun musste der Letzte seiner Art in der Partei die Horde verlassen.
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Foto: APA Alfred J. Noll: Den Kontakt zu den Menschen verloren.

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