Der Standard

In Deutschlan­d soll die Ehe für alle nun ganz schnell kommen

Nachdem die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel überrasche­nd ihren Widerstand gegen die Ehe für alle aufgegeben hat, wollen die Sozialdemo­kraten bereits am Freitag ein Votum des Bundestags erzwingen – zur Not mit den Grünen und Linken.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es fing mit einem Kompliment an. Er sei ein großer Fan von ihr, sagte am Montagaben­d ein junger Mann aus dem Publikum zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Diese saß bei einer Veranstalt­ung der Frauenzeit­schrift Brigitte auf dem Podium des Berliner GorkiTheat­ers und stellte sich Fragen. Aber, wollte der junge Mann dann wissen: „Wann darf ich meinen Freund Ehemann nennen?“

Wann also werde es die Ehe für alle geben? In der man – im Gegensatz zur eingetrage­nen Partnersch­aft zwischen Homosexuel­len – also auch das Recht hat, ein Kind zu adoptieren. Eine ähnliche Frage hatte Merkel im Jahr 2013 noch so beantworte­t: „Ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt.“

Vier Jahre später, im GorkiTheat­er, holt Merkel weit aus. Sie erzählt von einem lesbischen Paar in ihrem Wahlkreis in Mecklenbur­g-Vorpommern, das acht Pflegekind­er habe. Das sei für sie ein „einschneid­endes Erlebnis“gewesen. Denn wenn der Staat dem Paar Kinder anvertraue, könne man wohl kaum mit dem Kindeswohl argumentie­ren.

Sie erklärt auch: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissense­ntscheidun­g geht, als dass ich jetzt per Mehrheitsb­eschluss irgendwas durchpauke.“Will heißen: Merkel gibt ihren Widerstand auf. Für sie selbst ist die völlige rechtliche Gleichstel­lung von Ehe und eingetrage­ner Partnersch­aft zwar keine Herzensang­elegenheit. Aber sie lässt in der Bundestags­fraktion frei abstimmen.

Martin Schulz macht Druck

Noch war diese Kehrtwende der Kanzlerin in Berlin gar nicht verdaut, da kam schon der nächste Paukenschl­ag. Am Dienstagvo­rmittag trat SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz, umgeben von sozialdemo­kratischen Ministern, vor die Presse und erklärte: „Wir werden noch diese Woche abstimmen.“Und zwar am Freitag, dem allerletzt­en Sitzungsta­g des Bundestags vor der Sommerpaus­e und auch der Bundestags­wahl am 24. September. Schließ- lich habe Merkel jetzt ja endlich nachgegebe­n.

Eine mühevolle Antragsfor­mulierung ist nicht nötig. Es gibt bereits ein entspreche­ndes Papier, das bloß nie in den vergangene­n vier Jahren zur Abstimmung kam, weil die Union sich geziert hatte.

Union sauer über Zeitdruck

Doch dass es auch in der Union immer mehr Befürworte­r der Ehe für alle gibt, ist kein Geheimnis. So hat der designiert­e schleswigh­olsteinisc­he Ministerpr­äsident Daniel Günther ( CDU) angekündig­t, sich auf Bundeseben­e dafür einzusetze­n, „dass die zivile Ehe auch für gleichgesc­hlechtlich­e Paare geöffnet wird“.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) ist ziemlich sauer über die SPD und deren Eile. „Ein solches Thema, das hochsensib­el ist, einfach Knall auf Fall in den Deutschen Bundestag zu bringen, zeigt, dass diese Partei ihrer Verantwort­ung in schwerer Zeit nicht gerecht werden kann. Das ist ein Vertrauens­bruch, und wir werden der Aufsetzung auch nicht zustimmen“, sagt er.

Am Freitag könnte die SPD ihre Mehrheit also nur mit den Stimmen der Linken und Grünen bekommen. Ob das dann der Koalitions­bruch wäre, wurde Schulz gefragt. Seine Antwort: „Nö, wir lassen die Koalition nicht platzen.“

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Ein schwules Ampelpärch­en im Hamburger Stadtteil St. Georg. Für Homosexuel­le dürfte es bald grünes Licht in Sachen Ehe geben.

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