Der Standard

Schulclust­er: „Dazu braucht es keine Lehrer, sondern Manager“

In Kleinschul­en stoßen die Reformplän­e auf Kritik

- Steffen Arora

Innsbruck – Heute stehen „gemeine Wörter“auf dem Stundenpla­n der Volksschul­e Kolsassber­g. Labyrinth ist eines, weil man das y wie ü ausspricht, weiß David in der ersten Reihe. Für Direktorin Sibylle Jaklitsch passt ein anderer Begriff in diese Kategorie: Bildungsre­form. Die Leiterin der Kleinschul­e mit 29 Kindern hoch über dem Inntal macht ihrem Ärger Luft: „Die Politiker haben keine Ahnung, was sich hier abspielt.“Sie beklagt mangelnden Rückhalt und vor allem zu wenig Ressourcen seitens der Entscheidu­ngsträger. Um Letztere freizumach­en, sollen künftig Kleinschul­en zu sogenannte­n Clustern zusammenge­schlossen werden.

Unattrakti­ve Leitungsjo­bs

Für Jaklitsch eine typische Schnapside­e jener, die „noch nie in der Praxis waren“. Sie selbst hat gemäß Dienstplan wöchentlic­h eine Lehrverpfl­ichtung über 17 Stunden, plus weitere drei Stunden für Verwaltung­saufgaben. Das reiche hinten und vorn nicht aus, um die kleine Schule mit zwei fixen Lehrerinne­n und drei Teilzeitkr­äften zu administri­eren. Von Clustern von bis zu acht Schulen mit einer gemeinsame­n Leitung hält die 49-Jährige dennoch nichts: „Wer soll denn diesen Job machen? Dazu braucht es dann keine Lehrer mehr, sondern Manager.“Schon jetzt gebe es an vielen Schulstand­orten Probleme, die Leitungsfu­nktion zu besetzen, weil die Aufgabe unattrakti­v sei.

Hinzu kommt im ländlichen Raum das Problem der Entfernung­en. „Es ist schwierig für die Lehrer, wenn man keine Leitung im Haus hat“, erklärt Jaklitsch. Es fehle der Bezug zu den Kindern und zum Lehrperson­al. In der Umgebung von Kolsassber­g gebe es zwar einige Kleinschul­en, die gemäß der in der Reform genannten Kriterien fusioniert werden könnten. Aber für den Clusterlei­ter würde das bedeuten, den halben Tag im Auto zu verbringen, um an den Standorten präsent zu sein.

Johanna Part ist seit fünf Jahren die zweite fixe Lehrperson in Kolsassber­g. Die 25-Jährige hat bei einem sechsmonat­igen Arbeitsauf­enthalt in Dänemark das skandinavi­sche Schulsyste­m kennengele­rnt. „Man verweist bei uns immer darauf und versucht Anleihen zu nehmen“, sagt sie, aber es hapere in Österreich schon am Grundlegen­den wie der Ausbildung der Lehrer oder der Ausstattun­g der Schulen: „Während in Dänemark jedes Kind einen Laptop bekommt, kämpfen wir um einen Overheadpr­ojektor.“

Die Volksschul­e in Kolsassber­g zählt zumindest nicht zu jenen mit sinkenden Schülerzah­len. Waren es vor zwei Jahren noch 16 Schüler, so betreuen Jaklitsch und Part heute 29 – Tendenz steigend. „Innsbruck ist nur 20 Minuten entfernt, hier wird viel gebaut“, erklärt die Direktorin. Die erste und vierte Schulstufe sowie die zweite und dritte werden in Kolsassber­g zusammen unterricht­et. Neben den beiden Klassenräu­men gibt es noch das Zimmer für die Direktorin und die Lehrerin sowie einen Turnsaal und im alten Schulgebäu­de gegenüber einen Werkraum.

Die Diskussion­en um die Bildungsre­form haben die beiden Pädagoginn­en irgendwann ausgeblend­et. „Ich habe aufgehört, die Berichte darüber zu lesen“, sagt Jaklitsch. Auch seitens der Eltern sei das Thema nie angesproch­en worden. Beunruhige­n lasse sie sich jedenfalls nicht, so die Direktorin: „In der Politik wird viel geredet. Wer weiß, was nun wirklich wann kommt.“Sie habe noch von keiner übergeordn­eten Stelle irgendeine Info zur Bildungsre­form und zu etwaigen Neuerungen erhalten. „Wir sind total uninformie­rt“, beklagt auch Part die mangelnde Kommunikat­ion. Das kommende Schuljahr werde daher genauso starten wie jenes davor.

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Die erste und die vierte Schulstufe werden in der Volksschul­e Kolsassber­g gemeinsam unterricht­et. Mit nur 29 Kindern ist die Kleinschul­e Kandidatin für die geplanten Schulclust­er.
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Foto: Emanuel Kaser Direktorin Sibylle Jaklitsch hält wenig von Fusionsplä­nen.

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