Der Standard

Asylnovell­e in der Praxis „ein Gräuel“

Das Fremdenrec­htsänderun­gsgesetz soll heute, Mittwoch, endgültig beschlosse­n werden. Von längerer Schubhaft bis zu Beugehaft sieht es viele Verschärfu­ngen vor. Zwei Experten – einer von der FPÖ, einer von den Grünen nominiert – sprechen von einem Ungetüm.

- Irene Brickner

Wien – Thomas A. Gruber ist Jurist am Bundesverw­altungsger­icht (BvwG), Clemens Lahner Rechtsanwa­lt in Wien. Ins Hearing zum Fremdenrec­htsänderun­gsgesetz (Fräg) im Innenaussc­huss des Parlaments vor zwei Wochen, zu dem nun ein ausführlic­hes stenografi­sches Protokoll vorliegt, wurden sie von den politisch entgegenge­setztesten Parlaments­parteien eingeladen: Gruber von der FPÖ, Lahner von den Grünen.

Trotzdem, in ihrer Gesamteins­chätzung der geplanten Neuerungen – die heute, Mittwoch, dem Nationalra­t zum Beschluss vorliegen – sind die beiden auf frappieren­de Weise einer Meinung. Das Asyl- und Fremdenrec­ht sei „so oft novelliert worden wie keine andere Materie in Österreich“, meint Gruber: „Es ist für die Menschen, die das in der Praxis vollziehen müssen, in Wirklichke­it ein Gräuel.“

„Dass alle paar Monate novelliert wird, führt zu einem administra­tiven Mehraufwan­d, zu Mehrkosten und Verzögerun­gen“, stimmt ihm Lahner zu. Als ein Beispiel von vielen nennt er den geplanten früheren Beginn von Asyl-Aberkennun­gsverfahre­n. Diese sollen künftig nicht erst nach rechtskräf­tigen Verurteilu­ngen, sondern bereits nach Anklageerh­ebung starten.

Das werde sich mit großer Wahrschein­lichkeit als zeitrauben­d und vielfach „unsachlich“herausstel­len, meint Lahner. Denn was geschähe im Fall einer Anklageein­stellung oder eines Freispruch­s? Dann habe sich das Aberkennun­gsverfahre­n „als völlig überflüssi­g“entpuppt – habe aber Arbeitszei­t von Mitarbeite­rn des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) verschlung­en.

Gruber ist ähnlicher Ansicht: Aus europarech­tlichen Gründen werde man wohl überhaupt alle vorgezogen­en Asyl-Aberkennun­gsverfahre­n bis zu einem rechtskräf­tigen Urteil aussetzen müssen, fügt er hinzu.

Das Asyl- und Fremdenrec­ht müsste „komplett neu aufgestell­t werden“, sagt Jurist Gruber. Anwalt Lahner hat konkrete Vorschläge: „Man muss das Asyl- und Fremdenrec­ht aus dem Innenminis­terium nehmen.“Das Justizmini­sterium etwa wäre besser geeignet, ergänzt Grünen-Menschenre­chtssprech­erin Alev Korun.

Verschärfu­ngsreigen

Insgesamt sieht das zu Beschluss stehende Fremdenrec­htsänderun­gsgesetz eine Vielzahl von Verschärfu­ngen vor – vor allem für abgelehnte Asylwerber, um sie dazu zu bringen, Öster- reich wieder zu verlassen. Tun sie das nicht, drohen ihnen Geldstrafe­n von 5000 bis 15.000 Euro. Bei fortgesetz­ter Weigerung können sie bis zu 18 Monate ununterbro­chen in Schubhaft eingesperr­t werden. In Bundesasyl­quartieren bekommen die Betreuer hoheitlich­e Kompetenze­n.

Darüber hinaus soll eine Pflicht für Asylwerber eingeführt werden, in von den Behörden zugewiesen­en Quartieren zu wohnen, ebenso Gebietsbes­chränkung für abgelehnte Asylwerber. Letztere müssen sich künftig selber um Ausreisepa­piere bemühen. Verweigern sie sich, können sie in Beugehaft eingesperr­t werden.

Die „Anpassunge­n“seien nötig, da über die Mittelmeer­route nunmehr großteils Menschen ohne jede Asylchance kämen. Deren Wiederausr­eise gelte es zu beschleuni­gen, sagte BFA-Leiter Wolfgang Taucher beim Hearing. Die Ausweitung von Beugehaft auf neue Personenkr­eise könne sich durchaus fortsetzen, erwidert Korun: „Das ist eine potenziell­e Gefahr für alle.“

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