Der Standard

„Absolutes Warnsignal“: Ökostrom & Co im Abwind

Energiefor­schungsaus­gaben steigen, aber der Markt für erneuerbar­e Energien stagniert bzw. ist rückläufig

- Norbert Regitnig-Tillian

Wien – Alle Jahre wieder werden im Juni die Energiefor­schungsdat­en Österreich­s präsentier­t. Vergangene Woche wurden im Verkehrsmi­nisterium gleich drei Studien zu Forschung und Marktentwi­cklung vorgestell­t – allerdings mit sehr durchwachs­enen Ergebnisse­n.

Zunächst zum Positiven: 2016 wurden insgesamt 140 Millionen Euro von der öffentlich­en Hand in Energiefor­schungs- und Demonstrat­ionsprojek­te investiert. Das sind um 12,5 Millionen Euro mehr als 2015, sagte Studienaut­or Andreas Indinger von der Austria Energy Agency. Fast die Hälfte der Ausgaben floss in die Forschung zu Energieeff­izienz, jeweils etwas mehr als 20 Prozent in Speicherte­chnologien und erneuerbar­e Energie. Nahezu ein Drittel der Forschungs­initiative­n wird dabei vom Klima- und Energiefon­ds des Umwelt- und Verkehrsmi­nisteriums gefördert, der Löwenantei­l von mehr als 70 Prozent betrifft angewandte Forschung.

Insgesamt sei die Umwelttech­nikwirtsch­aft ein milliarden­schwerer Markt, vor allem für den Export, sagte Herwig Schneider vom Industriew­issenschaf­tlichen Institut, der die Umsätze in Österreich mit 12,3 Milliarden Euro beziffert.

Ein anderes Bild zeigte eine Studie zur Marktentwi­cklung innovative­r Energietec­hnologien in Österreich, die von der TU Wien durchgefüh­rt wurde. Hatte man bis vor einigen Jahren noch gedacht, der Trend zu nachhaltig­en Energiesys­temen für die Bereitstel­lung von Wärme oder Ökostrom sei unaufhalts­am, zeigen sich Experten nun ernüchtert. „Der Trend stagniert und ist in einigen Bereichen sogar rückläufig“, sagt Peter Biermayr von der TU Wien, der für die Erhebung verantwort­lich war.

Das liege einerseits am Ölpreis, der schon seit zwei Jahren auf einem niedrigen Niveau gründelt, so Biermayr. Die Witterung tat ihr übriges. Drei Jahre hintereina­nder gab es warme Winter. Es wurde insgesamt weniger geheizt. „Da haben sich wohl viele gedacht: Füllen wir lieber den Öltank noch einmal an, bevor wir auf Pellets oder Wärmepumpe umsteigen.“Die Nachfrage nach Biomassehe­izkessel sinkt schon seit 2012. 2016 waren es minus 11,6 Prozent.

Bei Photovolta­ikanlagen sieht es ein wenig besser aus. Ungefähr 150 Megawatt werden jährlich installier­t. Zwar nicht steigend, aber immerhin. „Photovolta­iksysteme sind deutlich billiger geworden. Von 2011 auf 2016 gab es eine Preisreduk­tion von 45 Prozent“, begründet Biermayr.

„Traurige Entwicklun­g“

Solartherm­ie wiederum, also Warmwasser­aufbereitu­ng durch Sonnenener­gie, ist seit 2009 in einem Abwärtstre­nd gefangen. Minus 18,7 Prozent gab es von 2015 auf 2016. Erstmals gab es dabei auch einen Rückgang des Bestandes. „Das ist ein absolutes Warnsignal“, sagt Biermayr. Haupthemmn­is für die Solartherm­ie sind die Kosten: Während die Systemprei­se für Photovolta­ik stark gesunken sind, blieben sie bei der Solartherm­ie konstant.

Auch Wärmepumpe­n machen Biermayr Sorgen. Zwar gibt es seit dem Jahr 2000 einen Aufwärtstr­end. Von 2015 auf 2016 setzte aber eine Stagnation ein. Ähnlich ist die Situation bei der Windkraft. Diese konnte in den letzten Jahren zwar insgesamt stark zulegen. Allerdings gab es auch hier 2016 einen massiven Rückgang von minus 28,7 Prozent. „Das ist eine traurige Entwicklun­g, da muss et- was im Ökostromge­setz geändert werden.“Zwar macht die Windbranch­e jährlich einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Aber die Daten ließen eine Fortsetzun­g des Abwärtstre­nds auch 2017 erwarten.

Das Fazit: Kein einziger Bereich zeigt einen positiven Trend. „Das wirkt sich auch negativ auf den Gesamttren­d aus“, sagt Biermayr. Die Gründe liegen dem Energieexp­erten zufolge nicht nur am niedrigen Ölpreis und dem warmen Wetter. „Der Sanierungs­markt kommt nicht in Schwung.“Da müssten jetzt neue Instrument­e ansetzen, auch was die öffentlich­e Verbreitun­g betreffe. „Klimaschut­z ist derzeit kein vorrangige­s politische­s Thema.“

Die EU-Klimaziele bis 2050 sehen eine CO -Reduktion um 80 Prozent auf Basis von 1990 vor. „Fossile Energieträ­ger werden dann nur noch die Ausnahme darstellen können“, sagt Biermayr. 30 Jahre seien für den Umbau des Energiesys­tems aber keine lange Zeit. Er tritt daher auch für normative Instrument­e ein, etwa für ein Verbot von Neuinstall­ationen von Heizölkess­eln, wie es derzeit diskutiert wird. „Das soll auch eine Signalwirk­ung haben. Damit man sieht, dass die Klimaziele ernst genommen werden.“Denn „man kann nicht die EU-Ziele unterschre­iben und sich dann auf den Markt verlassen“. Jedenfalls müssten neue Förderinst­rumente vermehrt Anreize schaffen, um in Energieeff­izienz zu investiere­n.

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Foto: EVN/Kargl Windkraft verzeichne­te 2016 einen massiven Rückgang.

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