Der Standard

„An jedem Marterpfah­l sollten drei hängen“

Ex- Siemens- Österreich-Chefin Ederer über Whistleblo­wer und Korruption

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Wien – Als Ex-Siemens-Österreich­Chefin Brigitte Ederer am Dienstag im Straflande­sgericht die Aufklärung­sarbeit der US-Anwaltskan­zlei Debevoise & Plimpton und der Wirtschaft­sprüfer Deloitte & Touche im Schmiergel­dskandal schilderte, war rasch klar: Das Verhältnis zwischen dem Stammhaus in München und der in internen Rankings stets als „Ertragsper­le“gefeierten Österreich-Tochter war 2006 von Misstrauen geprägt: „Die amerikanis­chen Anwälte wollten, dass an jedem Marterpfah­l drei hängen – zur Abschrecku­ng.“

Ihr habe der für Compliance zuständige Vorstand vorgeworfe­n, „dass ich Whistleblo­wing behindere“, sagte Ederer als Zeugin im Korruption­sprozess, bei dem es um 17 Millionen Euro geht, die zwei Angeklagte aus dem Konzern geschleust haben sollen. „Es gab aus der Österreich-Einheit keinen einzigen Whistleblo­wer.“Dabei wäre es gar nicht möglich gewesen, mehr als 8000 Mitarbeite­r daran zu hindern, Aufklärern anonyme Hinweise zu geben. Als Ös- Ex-SiemensChe­fin Brigitte Ederer kannte keine schwarzen Kassen. terreich-Chefin habe sie 40 Prozent ihrer Zeit dafür aufgewende­t, in München die Kompetenze­n in Österreich zu erklären.

Von „schwarzen Kassen“im Kerngeschä­ft Informatio­n und Communicat­ion („Com“) von Siemens Österreich, aus denen Berater teils ohne Gegenleist­ung bezahlt wurden, will die für Medizintec­hnik und Industrieg­eschäft zuständige Vorstandsd­irektorin der Siemens AG Österreich (Saggö) erst durch einen Anruf aus dem Stammhaus erfahren haben, in dem Untersuchu­ngen angekündig­t wurden. Sie könne sich nicht erklären, wie es möglich war, solche in Deutschlan­d einzuricht­en. „Wenn man einen Bleistift bestellte, musste man das einreichen“, schilderte die frühere Wiener Finanzstad­trätin die Siemens-Bürokratie. Auch seien die Wirtschaft­sprüfer das ganze Jahr über im Haus gewesen, hätten jede Rechnung geprüft und genehmigt.

„Waren 17 Millionen Euro Aufwendung­en für ‚Business Consulting‘ viel?“, wollte Richterin Claudia Moravec-Loidolt wissen. „Das kann ich nicht sagen, ich weiß die Ergebnisse von damals nicht mehr.“Aber der Einsatz von Beratern sei auf den von Österreich verantwort­eten Märkten in Ostund Südosteuro­pa nicht ungewöhnli­ch gewesen. „Wenn wir einen Auftrag gewonnen haben, war es sowieso okay, dass Marktbearb­eitung gemacht und bezahlt wurde.“Aber tiefen Einblick in die lange Jahre sehr erfolgreic­he Telekomspa­rte Com habe sie nie gehabt. Deren Ebit-Beiträge waren viel höher als in der Industrie.

Den Erstangekl­agten H. W., ehemals kaufmännis­cher Leiter Com und ab 2005 Finanzvors­tand, belastete Ederer nicht. „Ich hätte für ihn die Hand ins Feuer gelegt. (ung)

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