Der Standard

Persönlich unbetroffe­n von der Textfracht

Sophokles’ „Antigone“, aufgeführt vom Theater Wolkenflug am Kärntner Magdalensb­erg

- Michael Cerha

Klagenfurt – Offenbar hat sich Ute Liepold in ihrer Umsetzung der Sophokles-Tragödie Antigone vom Spielort anregen lassen. Es ist der Archäologi­epark der keltisch-römischen Siedlung am Magdalensb­erg, deren Name und ursprüngli­che Funktion in den Wirren der Geschichte verlorengi­ngen. Jetzt halten die Mauerreste als ein Theben her, das kein Löwentor hat, dafür aber ein Rampengefü­ge, das an den Verladeber­eich eines Güterbahnh­ofs erinnert.

Dort werfen einander sechs Darsteller die Textfracht um die Ohren, als wären sie davon persönlich unbetroffe­n. Gelegentli­ch mutmaßen alle durcheinan­der, was der Inhalt sein könnte, woran in der Folge dann auch das Publikum teilhaben darf.

In zwei Augenblick­en des zweistündi­gen Abends könnte man glauben, es gehe um Elend und Untergang des Patriarcha­ts. Just als der Haimon des Markus Achatz sein T-Shirt mit der Aufschrift „The Future is Female“präsentier­t, steht die Antigone der Sophie Aujesky allerdings auf einmal in Hosen da. Eva Reinolds Is- mene deklamiert über riesige Distanzen hinweg, ohne irgendeine schwesterl­iche Regung zeigen zu dürfen. Geht es nach dem Boten des Michael Kuglitsch, erleben wir eine Komödie: Unverdross­en versucht er, wenn auch allein auf weiter Flur, aus einer blumigen, elend verschacht­elten Uraltübers­etzung Funken des Sprachwitz­es zu schlagen. Das kann im Dialog mit dem steifen Despoten Kreon (Marcus Till) nur schiefgehe­n.

Nicht anders mit dem Teiresias des Gernot Piff: Vielfach durch den Text und im semiotisch­en Overkill zudem durch Sonnenbril­le und dunkle Jacke als blind gebrandmar­kt, lallt er qualvolle fünf Minuten etwas von den Grenzen der Staatsmach­t. Da kippt die Produktion kopfüber in das nächste Genre, jenes der Freak-Show.

Ach ja, und dazwischen liegen noch unvermitte­lt Ausflüge in eine Art Tanzschule, was die armen Darsteller­innen und Darsteller komplett von der Rolle bringt.

Empfehlens­wert ist der Besuch für alle, die immer schon gern die Ausgrabung­en auf dem Magdalensb­erg besichtige­n wollten. Darüber hinaus kann man diese Antigone noch Kulturpoli­tikern und einer heute oft eingespart­en Kleinstgru­ppe des Theaterper­sonals ans Herz legen: Hier sieht man, dass bei Weglassung der Dramaturgi­e selbst bei einem seit 2500 Jahren erfolgreic­h gespielten Stück vollkommen untergehen kann, wo es denn eigentlich unser Bewusstsei­n zu treffen vermag. Bis 8. 7. pwww. wolkenflug.at

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