Der Standard

Gründlich bauen, bis das Herz bricht

Mit Meg Stuart gastiert am Mittwoch und am Donnerstag eine der wichtigste­n europäisch­en Choreograf­innen beim Festival Sommerszen­e Salzburg.

- Helmut Ploebst

Salzburg – Vor genau einem Vierteljah­rhundert kam Meg Stuart als 27-Jährige aus den USA in Brüssel an – mit Disfigure Study, einem Stück, in dem drei Körper sich so schmerzlic­h verzerrten, als würden sie gerade gegrillt. Dieser Start und ihre folgenden ähnlich extremen Arbeiten machten Stuart zur wichtigste­n Choreograf­in der Nineties: 1997 wurde sie gar zur Documenta X eingeladen.

Die Sommerszen­e zeigt jetzt mit Built to Last ein Stück aus dem Jahr 2012. Es trägt die Spuren von Stuarts Entwicklun­g seit der Jahrtausen­dwende. 2000, als sie unter Christoph Marthaler Residenzkü­nstlerin des Zürcher Schauspiel­hauses wurde, war aus der qualvollen Deformatio­n des tanzenden Körpers pure Paralyse geworden. Aus Stuarts erratische­n Figuren zwängten sich prothesenh­afte Ansätze von Charaktere­n.

In Zürcher Stücken wie Alibi und Visitors Only er- schien die auf Sand gebaute menschlich­e Existenz als hoffnungsl­os unterspült.

Nach Marthalers Abgang 2004 arbeitete sie bis 2010 als Residenzch­oreografin unter Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. Dort gebärdeten sich ihre Figuren etwa auf einer Showtreppe wie Zombies oder versackten in einer Riesenwasc­htrommel.

Unwiderruf­lich ging es in die Spiegelkab­inette tiefer Empfindung­en oder löste sich ein „blessed“Leben im Dauerregen auf. Zur Eröffnung des Steirische­n Herbsts 2008 ironisiert­e sie in All Together Now den spekulativ­en Trend zur partizipat­iven Performanc­e.

Immer wieder baut Meg Stuart den Beklommene­n dieser Welt neue Bühnenzell­en, der grassieren­den Paranoia neue Nischen, der Depression neue Dunkelräum­e. Und das mit einem eher bodenlosen als bloß abgründige­n Humor. Als Stuart Built to Last schuf, kamen die Baufälligk­eiten der Kultur dran.

Hier stürzt sie das Bauen als Idee ins Nichts, überführt große Erwartunge­n in kosmische Enttäuschu­ngen und bringt – von Alain Franco ausgewählt­e – Monumente der Musik ins Wanken: Beethovens Eroica, Dvořáks Symphonie Aus der neuen Welt oder Meredith Monks Astronaute­nhymne. Dabei geht einem das Herz auf, bis es bricht. Republic, 28. & 29. 6.

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Meg Stuarts „Built to Last“: Es geht um die Baufälligk­eiten der Kultur, um das Überführen von großen Erwartunge­n in kosmische Enttäuschu­ngen.

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