Der Standard

Ein ewiger Streit um salziges Wasser

Heute wird über den alten Disput um die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien entschiede­n. Doch der nächste Streit ist schon vorprogram­miert, weil Kroatien das Urteil nicht annehmen will.

- Adelheid Wölfl

Egal ob sich Kroatien weigert oder nicht, der Schiedsspr­uch wird in der Praxis, also auf dem Wasser, umgesetzt werden. Kenner der Region und ihrer Sitten gehen davon aus, dass kroatische Polizeiboo­te slowenisch­e Fischerboo­te jagen könnten und sich beide Seiten über den Seefunkdie­nst beschimpfe­n werden. Es ist mit einem durchaus unterhalts­amen Sommer in der Bucht von Piran zu rechnen. Denn heute, Donnerstag, wird der Ständige Schiedshof in Den Haag im Grenzstrei­t zwischen Slowenien und Kroatien entscheide­n.

Die meisten Experten – außer die kroatische­n – halten es für wahrschein­lich, dass die Entscheidu­ng für Slowenien ausfällt. Aber wie auch immer – Kroatien hat sich vor zwei Jahren dazu entschloss­en, aus dem Verfahren auszusteig­en und keinerlei Spruch zu akzeptiere­n. Deshalb wird die Causa wohl auf der politische­n und diplomatis­chen Ebe- ne landen. Zuvor könnten allerdings Spannungen zunehmen.

Denn Slowenien wird darauf bestehen, dass die Entscheidu­ng umgesetzt wird, und hat einige Mittel in der Hand, Druck zu machen. Ganz besonders fürchtet Zagreb sich davor, dass die slowenisch­e Polizei an der SchengenAu­ßengrenze zu Kroatien beim bevorstehe­nden Urlauberan­sturm aus Deutschlan­d, Polen, Tschechien oder Österreich extrem rigoros kontrollie­ren wird und die Besucher, die eigentlich an die kroatische Küste wollen, verärgern und aufhalten könnte.

Schärfere Grenzkontr­ollen

Bereits seit einigen Wochen kontrollie­ren slowenisch­e Grenzer wegen schärferer Terrorbekä­mpfungsmaß­nahmen auch EU- Bürger und scannen ihre Personalau­sweise, was schon seit vielen Jahren nicht mehr der Fall war. Ein Massenstau könnte tatsächlic­h dem kroatische­n Tourismus schaden. Falls slowenisch­e Militärboo­te in das umstritten­e Gebiet fahren würden, könnte zudem das kroatische Militär reagieren.

Das größte politische Problem ist, dass Kroatien zwar einen Umsetzungs­boykott für den Schiedsspr­uch angekündig­t hat, aber keinen Plan B um aus der vertrackte­n Causa herauszuko­mmen. Im Gegenteil: In den letzten Tagen ist erstmals der Kontakt zwischen den beiden für Tourismus zuständige­n Ministern der mitteleuro­päischen Staaten abgebroche­n. Der Slowene Zdravko Počivalšek und der Kroate Gari Cappelli reden angeblich nicht mehr mitei- nander. Viele setzen auf Zeit. Der Schiedsspr­uch soll innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden. Zagreb besteht aber darauf, dass nun eine bilaterale Kommission eingericht­et wird, dem wird Ljubljana aber nicht zustimmen.

Koalition gefährdet

Die slowenisch­e Regierung wird zudem ein Jahr vor den Wahlen keine Kompromiss­e eingehen. Denn für Premier Miro Cerar und seine linksliber­ale Regierung schauen die Umfragen nicht gut aus: Nur 30 Prozent der Slowenen unterstütz­t sie. Laut dem Politologe­n Marko Lovec könnte es im äußersten Fall sogar zu vorgezogen­en Neuwahlen kommen.

Große Vorhaben der Regierung wie die Gesundheit­sreform oder die zweite Eisenbahnl­inie zwi- schen Koper und Divača sind blockiert. „Wenn es nun auch noch misslingt, die Entscheidu­ng des Schiedshof­s umzusetzen, könnte das der letzte Sargnagel für die Koalition sein“, so Lovec. Außenminis­ter Karl Erjavec duckt sich bereits weg. In Slowenien wurde die Causa zur primären nationalen Frage hochstilis­iert. Parlaments­präsident Milan Brglez verglich die Entscheidu­ng des Schiedshof­s nun sogar mit der Unabhängig­keit und dem EU-Beitritt Sloweniens. Cerar wird deshalb wohl offensiv agieren. Möglich ist ein diplomatis­cher Vorstoß, eine Klage gegen Kroatien oder die Entsendung von Polizei auf das Territoriu­m.

Der Streit um die Grenze geht auf das Jahr 1991 zurück, als sich Slowenien und Kroatien für unabhängig erklärten. Seitdem gab es unzählige Konflikte, Blockaden und Versuche, diese zu lösen (siehe Chronologi­e). Nun werden neuerliche Scharmütze­l folgen. „Und all das nur wegen ein paar Quadratkil­ometer salzigem Wasser“, plädiert Lovec für mehr Vernunft.

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Der Schiedshof wird nicht nur über die Grenze in der Bucht von Piran – und damit indirekt auch über Fischereir­echte – entscheide­n, sondern auch über umstritten­e Orte an der Landesgren­ze.
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