Der Standard

Mistarbeit­er fordern Tsipras heraus

Die linksgefüh­rte griechisch­e Regierung sieht sich mit einem Mal im Kräftemess­en mit der kleinen Gewerkscha­ft der kommunalen Arbeiter. Die streikende­n Müllmänner wollen Festanstel­lungen. Und Athen stinkt.

- Markus Bernath aus Athen

Ein Notdienst, der die schlimmste­n Auswüchse der Mistberge auf Athens Straßen abträgt, ist das einzige Zugeständn­is, das die griechisch­e Regierung von der Gewerkscha­ft nach mehr als einer Woche Streik der Müllarbeit­er im Land erhalten hat. Griechenla­nds Premier Alexis Tsipras dachte, er hätte sich nach der jüngsten Einigung mit den Kreditgebe­rn wenigstens bis zum Herbst politisch Luft verschafft. Doch nun machen ihm die Arbeiter bei Städten und Gemeinden einen Strich durch die Rechnung. Das Kräftemess­en mit der kleinen Gewerkscha­ft POE-OTA der kommunalen Arbeiter wird zu einer weiteren harten Belastung der seit nun zweieinhal­b Jahre amtierende­n linksgefüh­rten Regierung.

Mehr als 1000 Tonnen Mist liegen nach Schätzunge­n mittlerwei­le allein in den Großstädte­n Athen und Thessaloni­ki zum Teil meterhoch auf Straßen und Plätzen. Von verrottend­em Mist aufsteigen­de süßliche Schwaden hängen mehr oder weniger kräftig überall in der Luft. Nur bei den Krankenhäu­sern wird der Dreck abgefahren, um das Risiko für die Gesundheit nicht noch zu erhöhen. Schon heute, Donnerstag, klettern aber die Temperatur­en im Großraum Athen weiter in die Höhe; am Freitag und Samstag sollen sie bei über 40 Grad liegen. Bis dahin muss die Regierung einen Deal mit dem streikende­n Mistperson­al geschafft haben.

Um die 6000, nach Gewerkscha­ftsangaben 10.000 Arbeiter mit befristete­n Verträgen geht es. 600 bis 700 Euro im Monat bekommen sie für das Leeren von Müllcontai­nern. Mit Ende dieser Woche verlieren sie aber ihre Anstellung bei den Kommunen. Das Sparkorset­t, das die Kreditgebe­r der griechisch­en Regierung angelegt haben, wendet sich einmal mehr gegen die Bevölkerun­g, so scheint es.

Dreimal verlängert

Giorgos Patoulis, Präsident des Verbands der Städte und Gemeinden in Griechenla­nd und selbst Bürgermeis­ter des Stadtteils Marousi im Athener Norden, macht allerdings in erster Linie die Regierung Tsipras verantwort­lich für das Drama mit dem Müll. Dreimal habe sie die auf jeweils acht Monate befristete­n Arbeitsver­träge einfach verlängert und den Arbeitern vorgegauke­lt, sie würden am Ende eine Festanstel­lung erhalten, so sagt Patoulis. Doch der Rechnungsh­of, der in Griechenla­nd zugleich als Verwaltung­sgericht fungiert, hat diese Vertragsve­rlängerung­en erst jüngst in einem Urteil als verfassung­swidrig erklärt. Dass die Müllarbeit­er nun auf die Straße gesetzt werden müssen, habe sich die Regierung also selbst zuzuschrei­ben, sagt Patoulis, der auch Präsident der Athener Ärzteverei­nigung ist. Die Mistberge, so warnt er, sind eine ernste Gefahr für die öffentlich­e Gesundheit.

Neuanstell­ungen in den Kommunen wie auch sonst im öffentlich­en Dienst haben die Kreditgebe­r gedeckelt. Nur Zeitarbeit­sverträge sind in den städtische­n Verwaltung­en möglich, und auch dies nur eingeschrä­nkt zur Bewältigun­g von Notsituati­onen wie Erdbeben und Bränden.

Anderersei­ts aber gab es das System mit den befristete­n Verträ- gen in den Kommunen auch schon vor der großen Finanzkris­e. Es war billiger, und es zahlte sich politisch aus, geben ehemalige Offizielle zu. Wähler konnten auf diese Weise zur Stimmabgab­e für eine der damals großen Parteien verpflicht­et werden – für die sozialisti­sche Pasok oder die konservati­ve Nea Dimokratia.

Bei seinen Verhandlun­gen mit dem Gewerkscha­ftsboss der kommunalen Arbeiter diese Woche setzte sich Tsipras offenbar über die Auflagen der Kreditgebe­r hinweg. Er versprach die Festanstel­lung von zunächst 2500 Arbeitern und schloss auch eine Privatisie­rung der Mistentsor­gung aus.

Der Gewerkscha­ft war das aber noch zu wenig. Sie will heute ihre Mitglieder in Athen aufmarschi­eren lassen und erst danach über eine Fortsetzun­g des Streiks entscheide­n.

 ??  ?? Scharf an der Toleranzgr­enze: Mehr als 1000 Tonnen Mist liegen mittlerwei­le auf den Straßen von Athen und Thessaloni­ki. Die Kreditgebe­r erlauben nur befristete Verträge für städtische Arbeiter.
Scharf an der Toleranzgr­enze: Mehr als 1000 Tonnen Mist liegen mittlerwei­le auf den Straßen von Athen und Thessaloni­ki. Die Kreditgebe­r erlauben nur befristete Verträge für städtische Arbeiter.

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