Der Standard

„Es gibt viel mehr, was uns vereint, als was uns trennt“

Der britische Handelsmin­ister Greg Hands will Großbritan­nien zum Freihandel­s-Champion machen. Er sieht London weiter als Finanzhaup­tstadt Europas. Das sei auch gut für die verbleiben­den Länder der EU.

- INTERVIEW: Nora Laufer

STANDARD: Sie haben in Deutschlan­d und Tschechien gearbeitet, sich für einen Verbleib Großbritan­niens in der EU eingesetzt und sind mit einer deutschen Frau verheirate­t. Wie ist das damit vereinbar, die britischen Handelsint­eressen während des Brexits zu vertreten? Hands: Ich habe voriges Jahr für einen Verbleib in der EU gekämpft. Das ist jetzt egal, weil sich die Briten mehrheitli­ch dafür entschiede­n haben, aus der Union auszusteig­en. Als Regierungs­mitglied muss ich der Entscheidu­ng jetzt folgen. Es ist wichtig, dass wir eine hervorrage­nde Beziehung zu anderen EU-Staaten, wie zum Beispiel Österreich, aufrechter­halten. Großbritan­nien bleibt – wie auch früher schon – offen für Investment­s und Gäste.

STANDARD: Mit dem Brexit machen sich die Briten nicht viele Freunde in Brüssel. Ist so ein Szenario dann überhaupt realistisc­h? Hands: Ich bin optimistis­ch, dass wir eine gute Einigung finden. Natürlich haben die Verhandlun­gen gerade erst begonnen und befinden sich noch im Frühstadiu­m. Beide Seiten wollen letzten Endes freien Handel, beide Seiten wollen eine gute Kooperatio­n, was Sicherheit und Antiterror­maßnahmen angeht. Es gibt viel mehr was uns vereint, als was uns trennt.

STANDARD: Wie könnte ein Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Großbritan­nien aussehen? Hands: Im Gegensatz zu vielen anderen Abkommen starten wir in einer Position des barrierefr­eien Handels zwischen Großbritan­nien und der EU. Normalerwe­ise muss zuerst geklärt werden, welche Hürden es gibt und wie diese abgebaut werden können. Es müsste jemand sagen, wir wollen Hürden aufbauen – das würde keinen Sinn machen. Ich glaube, dass wir in einer guten Position sind, aber es werden keine leichten Verhandlun­gen werden.

STANDARD: Bis Großbritan­nien formell die EU verlässt, darf es keine Freihandel­sabkommen mit anderen Ländern unterzeich­nen. Welche Länder sind dann die ersten Kandidaten? Hands: Wir haben Arbeitsgru­ppen für 15 Länder und versuchen, Handelspar­tner wie Kanada und Australien für uns zu gewinnen, aber auch einige der größeren Schwellenl­änder wie Indien oder China. Es ist zu früh, zu sagen, mit welchen wir als erstes Freihandel­sabkommen abschließe­n werden. Wir können aber auch ohne Freihandel­sabkommen bereits viel im Handelsber­eich machen und Barrieren abbauen. Das hängt nicht vom Brexit ab. Großbritan­nien will weltweit größter Verfechter des Freihandel­s werden.

STANDARD: Es sind doch gerade Finanzinst­itute und Banken, die überlegen, Großbritan­nien nach dem Brexit zu verlassen. Hands: Da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Banken investiere­n zurzeit sehr viel in Großbritan­nien. Es kann sein, dass Banken, die bisher nur in Großbritan­nien arbeiten, überlegen, anderswo in Euro- pa Ableger einzuricht­en. Aber sie stehen hinter London, weil es ein guter Ort für Finanzgesc­häfte ist. Wir haben die größte Finanzinfr­astruktur innerhalb der europäisch­en Zeitzone. London muss kompetitiv bleiben. Ich glaube nicht, dass es im Interesse der europäisch­en Länder liegt, zwischen sich selbst und London Handelsbar­rieren aufzubauen. Europäisch­e Unternehme­n und Einzelpers­onen müssen Zugang zu Kapitalmär­kten haben. Und der befindet sich eben in London. STANDARD: Sie glauben also, dass London das Finanzzent­rum Europas bleiben wird? Hands: Ich glaube, dass die Europäisch­e Union sich einig ist, dass London das Finanzzent­rum bleiben soll. Die Anzahl an Menschen, die in London im Finanzbere­ich arbeiten, ist größer als die Gesamtbevö­lkerung von Frankfurt.

STANDARD: Angela Merkel will zuerst die Brexithaup­tpunkte klären, bis sie sich Handelsfra­gen widmet. Hat Großbritan­nien dadurch einen Nachteil? Hands: Nicht unbedingt. Beide Seiten haben klargemach­t, dass nichts ausgemacht ist, bis alles ausgemacht ist. Das ist ein wichtiges Prinzip in den Verhandlun­gen. Beide Seiten werden einen guten Deal ausverhand­eln wollen. 44 Prozent der britischen Exporte gehen in die EU. Andersheru­m hat die EU einen Handelsübe­rschuss von über 60 Milliarden Euro gegenüber Großbritan­nien. Diese zwei Fakten sollten dazu führen, dass beide Seiten gut zusammenar­beiten und den freien Handel vorantreib­en.

GREG HANDS (51) ist Mitglied der Konservati­ven Partei und britischer Handelsmin­ister. Er hat gegen den Austritt Großbritan­niens aus der EU gestimmt.

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Foto: AFP War ursprüngli­ch gegen den Brexit, versucht nach dem mehrheitli­chen Beschluss für einen Austritt Großbritan­niens aus der EU aber, das Beste daraus zu machen: der britische Handelsmin­ister Greg Hands.

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