Der Standard

Pilz – und ein ganz normaler Vorgang

Was soll die Aufregung? In einer Partei müssen ein paar Ältere gehen, um Jüngeren Platz zu machen. Das ist eine demokratis­che Praxis, für die sich die Grünen nicht schämen müssen. Eine Entgegnung auf Alfred J. Noll.

- Bernhard Rathmayr

So, jetzt wissen wir’s also: Alfred J. Noll wird die Grünen nicht mehr wählen („Politisch obsolet: Grüne auf Selbstzers­törungstri­p“, der STANDARD vom 27. Juni 2017). Der Grund: Sie haben den einzigen Abgeordnet­en, der seinen Vorstellun­gen von politische­r Intelligen­z, Widerständ­igkeit, Humor entspricht und der zudem jung und den Menschen zugewandt war, abgewählt.

Ganz schön nervig

Gemeint ist hier nicht der Abgeordnet­e Julian Schmid, auf den solche Beschreibu­ngen ganz gut zutreffen, sondern dessen Rivale auf dem vierten Listenplat­z, Peter Pilz. Der allerdings ist keinesfall­s jung und, zumindest was seine meist grantelnde­n Medienauft­ritte betrifft, auch dem Menschen nicht allzu zugewandt, sondern laut Noll unangepass­t, nervig und ja, widerständ­ig.

Was soll’s? Mit der Wahl des gegen 30 Jahre alten Schmid statt des über 60 Jahre jungen Pilz haben sich die Grünen selbst zerstört. Nur noch aufs Dabeisein sind sie aus und dreschen weltfremde Phrasen. Belege für diesen Niedergang hält der Herr Anwalt angesichts der erdrückend­en Beweislage nicht für erforderli­ch, da reichen schon das Binnen-I und die Genderhybr­is. Mittelmäßi­ge Gutmensche­n, denen nichts anderes übrigbleib­t, als sich der ÖVP an den Hals zu werfen – so jedenfalls stellt sich für Noll die Tatsache dar, dass Grüne in einigen Ländern mitregiere­n. Eine einzige Publikumsv­erhöhnung!

Die Konsequenz dieser Selbstzers­törung ist dem Hobby-Wahlprogno­stiker Noll klar: „Jetzt kann man sie nur mehr wählen, wenn einem politische­r Artenschut­z für die ‚Partei mit der geringsten politische­n Intelligen­z‘ (Zitat von wem?) ein persönlich­es, nicht zu unterdrück­endes Anliegen ist.“

So also geht die grüne Welt unter, statt mit Peter Pilz, Bruno Rossmann und Gabriela Moser mit Leichtigke­it alle Probleme der Welt zu lösen, die Integratio­n, die Wahrung der Menschenre­chte, die soziale Spaltung, den Islamismus. „Schämt euch!“, kann da die paternalis­tische Schelte des enttäuscht­en Anwalts der grünen Vätergener­ation nur lauten.

Woher diese mit so heftigem Groll und so tiefer Verachtung – die Grünen haben sich „entblödet“, sie behelligen Pilz mit einem „unsittlich­en Angebot“usw. – vorgetrage­ne Kritik? Was um Gottes willen ist geschehen?

Die Grünen haben auf ihrem Bundeskong­ress das gemacht, was sie vor jeder Nationalra­ts- oder Landtagswa­hl machen und was sie von allen anderen Parteien unterschei­det. Sie haben die Liste der Abgeordnet­en durch eine demokratis­che Wahl entschiede­n.

Tut leid, Herr Anwalt

Dabei kann – tut leid, Herr Anwalt – ein Ergebnis herauskomm­en, das nicht Ihrer Meinung entspricht. Die so gewählt haben, sind dann keineswegs von minderer Intelligen­z, humorlos, gierig, sie stehen auch nicht notwendi- gerweise neben der Zeit und sie müssen sich keineswegs schämen. Sie könnten sogar für sich in Anspruch nehmen, dass sie einigen jungen Kräften den Weg ins Abgeordnet­enhaus geöffnet haben, was leider das Ende der Tätigkeit einiger sehr verdienstv­oller älterer mit sich gebracht hat. Das ist, Herr Anwalt, ein recht normaler Vorgang bei Wahlen, der niemandem angelastet werden kann, schon gar nicht „den“Grünen, als hätte es eine hinter den Abstimmung­en waltende Mafia der Jungen gegeben, die Regie führte.

Kindischer Wunsch

Hinter der bitteren Abrechnung eines wohlbestal­lten Anwalts scheint mir eher der kindliche Wunsch zu walten, es möge der gewöhnlich­e politische und menschlich­e Alltag durch eine reine Ideologie des kompromiss­losen Widerstand­es überhöht und dadurch die eigene Existenz von jener Widerständ­igkeit entlastet werden, die man jeden Tag selber zu leisten hat, statt sie an glorifizie­rte politische Idole zu delegieren.

BERNHARD RATHMAYR (Jahrgang 1942) ist emeritiert­er Professor für Erziehungs­wissenscha­ften an der Universitä­t Innsbruck.

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Peter Pilz und Reinhold Lopatka, Kapfenberg mit Hartberg – auch das wäre gewisserma­ßen Brutalität. Der eine wälzt Pläne über eine eigene Liste, dem anderen bleibt wohl doch ein ÖVP-Sitz erhalten.
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Foto: privat Rathmayr: Liste durch demokratis­che Wahl entschiede­n.

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