Der Standard

Heftiger Einschnitt

- Anna Giulia Fink

Mögliche Wendepunkt­e hat Venezuela in den vergangene­n Monaten schon viele gesehen. Dass nun aber ein abtrünnige­r Offizier einen Hubschraub­er gekapert haben soll, um auf das verhasste, weil regierungs­treue Oberste Gericht zu schießen und Granaten abzuwerfen, ist selbst für Venezuela ein heftiger Einschnitt.

Die Regierung von Nicolás Maduro war wie immer, ohne Hintergrün­de zu nennen, blitzschne­ll damit bei der Hand, den Vorfall zum „Terrorakt“zu erklären. Was hinter dem Angriff steckt, ob es sich um eine größere Offensive militärisc­her Kreise handelt, um den umstritten­en Staatschef von der Macht zu verdrängen, bleibt unklar.

Ohne in jedem Fall die Schwere dieses Angriffs mindern zu wollen – denn wer prinzipiel­l nur die Gewalt der Sicherheit­skräfte, nicht aber jene der Gegenseite kritisiert, der misst mit zweierlei Maß –: Die immer stärker aufgeheizt­e Stimmung geht aufs Konto der Regierung. Der Protest hat sich auch deshalb auf die Straße verlagert, weil im politische­n System kein Platz mehr dafür ist. Die Regierung spricht und verhält sich zunehmend so, als befände sie sich im Krieg, indem sie Demonstran­ten vor Militärtri­bunale zerrt oder ihnen droht, mit Gewalt gegen sie vorzugehen.

Auch der Vorwurf der Einmischun­g von außen mag nicht völlig unberechti­gt sein, aber eben auch nicht der entscheide­nde Faktor: Der ist nämlich, dass Venezuelas Regierung katastroph­al gewirtscha­ftet hat, deshalb an Zustimmung verliert und sich auf dem Weg in die Diktatur befindet.

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